DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

10-11-2017 21:00
SXEU31 DWAV 101800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 10.11.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Teils unwetterartige Dauerregenlage von Samstag bis Sonntagabend. Im Nordosten
einzelne Gewitter. Zunächst teils windig bis stürmisch, bis Sonntag nachlassend.
Ab Sonntagabend in Mittelgebirgslagen und Alpen zunehmend winterlich mit etwas
Neuschnee.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland im Einflussbereich eines Langwellentroges,
dessen Achse gerade Deutschland überquert und sich in südöstliche Richtung
weiter bewegt. Damit gelangt das Vorhersagegebiet in der Nacht auf Samstag auf
dessen Rückseite in eine nordwestliche Höhenströmung, mit der Luftmassen polaren
Ursprungs herangeführt werden.

Am Boden zieht korrespondierend dazu ein Tiefdruckgebiet über Südskandinavien
ostwärts. Das zugehörige Frontensystem beschäftigt Deutschland schon den ganzen
Tag über mit Niederschlägen, die zunächst skaliger Natur waren. Mittlerweile ist
die Kaltfront bis zur Mitte vorangekommen und zeichnet sich durch eine klar
definierte Linie im Radarbild aus. In der ersten Nachthälfte wird die Kaltfront
auch den Süden Deutschlands überqueren und etwa gegen Mittenacht den Alpenrand
erreichen.

Wesentlicher Warnparameter in den Abendstunden ist vor allem noch der Wind. Mit
dem anhaltenden Gradienten auch rückseitig der Kaltfront, wird dieser vor allem
in den Küstenregionen und im höheren Bergland nur wenig nachlassen. So muss an
der See anhaltend mit Böen Bft 7/8, teils auch mit Sturmböen Bft 9 gerechnet
werden, In exponierten Küstenlagen treten an der Nordsee Böen Bft 10 auf, das
gilt auch für die Ostsee (Rügen). Sturmböen gibt es auch im höheren Bergland.
Auf Fichtelberg und Brocken treten schwere Sturmböen bzw. Orkanartige Böen Bft
11.
In Böen stark weht der Wind auch weiterhin in den östlichen Landesteilen. Das
wird dort vor allem durch die vorhandene Labilität gestützt, die sich aus der
trogrückseitig herangeführten Höhenkaltluft ergibt. Weiter nach Südwesten
stabilisiert es hingegen deutlich, sodass auch tagesgangbedingt der Wind
nachlässt. Zudem nimmt ausgangs der Nacht im Südwesten auch der Gradient etwas
ab.

Neben dem Wind sind Gewitter ein zweites Warnkriterium. Diese treten bevorzugt
im Bereich der stärksten Höhenkaltluft, also im Nordosten auf.
Den 925 hPa Winden folgend (bis 40 kn) sind im Zusammenhang mit den Gewittern
auch stürmische Böen, sowie Graupel denkbar.

Abgesehen von den Schauern und Gewittern in der Höhenkaltluft fällt Niederschlag
zunächst noch im Süden, der sich in der zweiten Nachthälfte bei einer auf etwa
1000 m fallenden Schneefallgrenze an den Alpenrand zurückzieht. In den Hochlagen
kann es entsprechend ein wenig Neuschnee geben.

Selbiges gilt für die Mittelgebirge, wo die Schneefallgrenze bei 850 hPa
Temperaturen um -4 Grad bis auf 600 m fällt. Allerdings bleibt es bei nur
wenigen Schauern, die sich vor allem auf die zentralen und östlichen
Mittelgebirge konzentrieren. Angesichts der geringen Mengen dürfte eine
Glättewarnung meist ausreichend sein.

Samstag ... liegt Deutschland weiter auf der Trogrückseite in einer
nordwestlichen Höhenströmung, die bis nach Grönland reicht. Auf den ersten Blick
wirkt diese recht glatt, bei genauerem Hinsehen lassen sich mehrere kurzwellige
Einlagerungen erkennen. Eine dieser kurzwelligen Anteile, der am Nachmittag die
Britischen Inseln erreicht liefert den entscheidenden Input für eine
Randtiefentwicklung. Der eigentlich Ursprung dieses Randtiefs ein ehemaliges
tropisches Tief ("Rina"), dass auf der Vorderseite in ein bestehendes Tief
mittlerer Breiten einbezogen wurde und sich sukzessive abgeschwächt hat.
Ausgangs der Nacht und am Samstag selbst gelangt dieses Randtief nun in den
Bereich des Troges, was Zyklogenese zur Folge hat. Dieses Tief wird dann durch
die beschriebene Entwicklung aller Voraussicht nach nicht mehr als Ex-Rina
bezeichnet werden können.

Die vorderseitige Warmluftadvektion greift bereits in der ersten Tageshälfte
massiv auf Deutschland über und sorgt für zweierlei Dinge. Zum einen greifen
länger andauernde Niederschläge auf den Südwesten des Landes über, zum anderen
steigt die Temperatur in 850 hPa im Südwesten und später im gesamten Süden auf
über 0 Grad an, sodass auch die Schneefallgrenze deutlich nach oben geht. Die
einsetzenden Dauerniederschläge werden demnach bis in höhere Lagen in Form von
Regen fallen.

Diese Dauerniederschläge intensivieren sich im Laufe des Nachmittages und
breiten sich über der gesamten Südhälfte aus, wenn das wellende Randtief über
der südlichen Mitte ostwärts wandert.

Im Nordosten des Landes merkt man von dieser Entwicklung nur wenig. Dort
befindet man sich weiter im Bereich der Höhenkaltluft (H500 <-30 Grad), sodass
es im Tagesverlauf etwa bis zur Mitte ausgreifend Schauer gibt. Im Nordosten
sind dann auch wieder kurze Gewitter mit Graupel und stürmischen Böen zu
erwarten. Vornehmlich in den östlichen Mittelgebirgen fallen die Schauer auch
als Schnee, wenngleich die Schneefallgrenze von 600 im Tagesverlauf bis auf 800
m ansteigt und zudem nicht sehr ergiebig ausfallen. Zumindest in den Gipfellagen
dürfte es aber noch für den einen oder anderen Zentimeter reichen. Weiter nach
Westen ist die Luftmasse zu stabil und die Schneefallgrenze liegt höher.

Bleibt noch der Wind. Im Bereich des Durchgangs des Wellentiefs stellt Wind
aufgrund der Gradientschwäche kein Problem dar. Anders im Nordosten und Osten wo
vor allem in der ersten Tageshälfte Böen Bft 7 auftreten. An der See sind
allgemein Bft 7/8, exponiert auch Bft 9 zu erwarten. Ein zweiter Schwerpunkt
liegt im Süden, also südlich der Welle. Auch dort sind im Tiefland Böen Bft 7 zu
erwarten. Im Bergland treten Bft 8/9 auf, auf dem Feldberg im Schwarzwald auch
Bft 11.

In der Nacht auf Sonntag zieht das Wellentief ab. Die Frontalzone bleibt aber
noch über dem Süden liegen. Zudem amplifiziert sich ein stromaufwärtiger
Kurzwellentrog, auf dessen Vorderseite sich ein neues Wellentief rasch
intensiviert und in den Morgenstunden an der westdeutschen Grenze ankommt.
Mit dem neuerlichen Wellentief geht der Wind in der Mitte und im Süden im Laufe
der Nacht fast vollständig raus. Gleichzeitig halten die Niederschläge an und
intensivieren sich mit Übergreifen des Randtiefs in der zweiten Nachthälfte
erneut.

Im Nordosten ändert sich hingegen wenig, es bleibt weiterhin die Höhenkaltluft
wetterwirksam und sorg vor allem im Küstenumfeld für weitere Schauer und
vereinzelte kurze Gewitter. Auch der Wind bleibt an der See lebhaft mit Bft 7/8.
Im angrenzenden Binnenland dürften dann aber keine Böen mehr auftreten.

Zu guter Letzt sei noch gesagt, dass es weiterhin Unterschiede im Ablauf und
Art/Stärke der Randtiefentwicklung gibt. Beides hat vor allem Einfluss auf die
Entwicklung im Süden, sowohl was die genaue Niederschlagsverteilung betrifft,
als auch das Nachlassen des Windes.

Sonntag ... zieht das Randtief unter weiterer Vertiefung (bei GFS mit
eigenständigem Zentrum bis auf 993 hPa) über der südlichen Mitte ostwärts. Somit
regnet es über der Südhälfte einen großen Teil des Tages anhaltend und ergiebig.
Wie weit die Niederschläge bis zur Mitte ausgreifen hängt von der genauen
Zugbahn ab, die noch bis 100 km unterschiedlich berechnet wird. ICON fährt
diesbezüglich die südlichste Schiene.

Zum Abend zieht schließlich das Tief ostwärts ab und die Kaltfront erreicht die
Alpen. Bis dahin fallen zurückblickend aufaddiert in den südlichen
Mittelgebirgen und in den Staulagen der Alpen größere Niederschlagsmengen.
Betroffen davon sind vornehmlich der gesamte Schwarzwald und der Alpenrand. Die
entsprechenden Regionen sind basierend auf den Modellen und Ensembleverfahren
auch schon abgewarnt ... beginnend ab Samstagvormittag und anhaltend bis in die
Nacht auf Montag hinein.

Über die aktuellen Warnungen hinaus gehend ist noch denkbar, dass der Bayerische
Wald in den Bereich einer markanten Warnung gerät. Es gibt doch einige Signal,
die dafür sprechen, allerdings ist entscheidend, wie weit nördlich die Randtief
zieht (Stärke der Niederschläge, Schneefallgrenze).
Außerdem gibt es vornehmlich für den Südschwarzwald Hinweise aus den
hochaufgelösten Modellen und den Ensemblewahrscheinlichkeiten, dass die Schwelle
für extremes Unwetter gerissen werden könnte. So wird von ICON aufaddiert zum
Teil bis 140 mm für den Südschwarzwald vorhergesagt.

Der Wind lässt allgemein zwar nach. Allerdings gibt es noch zwei Ausnahmen. Das
ist zum einen die Küste wo weiterhin Böen Bft 7, vereinzelt Bft 8 auftreten. Zum
anderen die Südflanke des Randtiefs. Dort muss vor allem im Zuge der
Kaltfrontpassage auch in tiefen Lagen mit Böen Bft 7/8 gerechnet werden. Auf den
Bergen gibt es Bft 9, in den Hochlagen der Alpen und des Südschwarzwaldes sind
Bft 10 bis vereinzelt Bft 12 möglich.

In der Nacht auf Montag kommt der Kurzwellentrog unter weiterer Amplifizierung
bis nach Deutschland voran und übernimmt mittlerweile die Funktion des
Haupttroges. Die Achse wandert im Laufe der Nacht über Deutschland hinweg,
sodass das Vorhersagegebiet ausgangs der Nacht auf die Rückseite gelangt und
damit in eine nördliche Strömung. Die 850 hPa Temperatur geht zum Teil auf -5
Grad zurück.

Diese Entwicklung hat verschiedene Auswirkungen. Zum einen treten vor allem noch
im Südosten starke bis stürmische Böen auf, im höheren Bergland entsprechend
mehr. Allerdings lässt der Wind in der zweiten Nachthälfte dann deutlich nach.
Zum anderen höheren die Dauerniederschläge auf und ziehen sich in die Staulagen
zurück, während sie gleichzeitig konvektiven Charakter annehmen.

Gleichzeitig sinkt die Schneefallgrenze deutlich ab. Diese Entwicklung setzt
bereits am Sonntagnachmittag ein und erreicht in der Nacht auch den Alpenrand.
Die Schneefallgrenze sinkt auf etwa 500 m, sodass die Niederschläge darüber in
Schnee übergehen.

Dem entgegen wirkt die deutliche Abnahme der Niederschläge. Einzig im Bergland
und dort vor allem in den Staulagen fällt noch nennenswerter Niederschlag. So
ist eine Schneewarnung zwischen 1-5 cm oberhalb 600 m denkbar und darunter ggf.
eine Glättewarnung. Am Alpenrand und im Schwarzwald sind in den höheren Lagen
bis Montagmorgen auch 5 bis 15 cm, in Staulagen an den Aloen auch bis 25 cm zu
erwarten.

Auch sonst wird es mit 4 bis 0 Grad und Bodenfrostgefahr recht kalt und es
besteht lokal Glättegefahr durch überfrierende Nässe oder Reif.

Montag ... beginnt der Trog sich über dem zentralen Mittelmeerraum abzuschnüren.
Deutschland liegt trockrückseitig in einer nördlichen Strömung, mit der
Luftmassen polaren Ursprungs und angereichert mit Höhenkaltluft (bis -34 Grad in
500 hPa) große Landesteile beeinflussen.

Als Folge gibt es häufige Schauer, insbesondere in den Staulagen der
Mittelgebirge und am Alpenrand. Die Schneefallgrenze liegt etwa bei 600 m.
Darüber kann es etwas Neuschnee geben. Oft sind es nur wenige Zentimeter. Am
Alpenrand sind in 12 h aber auch Mengen zwischen 5 und 15 cm zu erwarten, lokal
eng begrenzt auch darüber.

Böen gibt es nur noch in den Hochlagen der Berge und an der Nordsee (dort Bft 7
bis exponiert Bft 8.

Zu erwähnen ist noch der Norden und dort insbesondere auch Schleswig-Holstein wo
es zum Teil trocken und deutlich freundlicher ist (längerer Sonnenschein). Die
Ursache dafür ist der Skandinavienföhn, der sich entsprechend bis nach
Deutschland auswirkt.

Die Maxima bleiben abgesehen von den Nordseeinseln überall einstellig.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die grundlegende Entwicklung wird ähnlich vorhergesagt. Knackpunkt ist das
zweite Randtief am Sonntag, das von den verschiedenen Modellen in der Zugbahn
noch leicht anders berechnet wird. ICON zeigt die südlichste Variante, während
ECMWF und GFS die Niederschläge bis zur Mitte ausgreifen lassen. Die
entsprechenden Auswirkungen auf Wind und Niederschlag wurden auch im Haupttext
entsprechend angedeutet.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Marcus Beyer