DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

09-11-2017 21:00
SXEU31 DWAV 091800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 09.11.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Zunehmend kühler, im Nordosten Schauer und Gewitter, zeitweise windig, im
Schwarzwald Gefahr von Dauerregen.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
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Aktuell ... schreitet die schon in der letzten synoptischen Übersicht
angesprochene Umstellung der GWL auf Nordwest zyklonal voran. Dabei greift in
der Nacht ein Trog in 500 hPa vom nördlichen Atlantik weiter in Richtung
Skandinavien aus. Seine sich nur schwach hervorhebende Achse greift aktuell vom
Nordmeer über Mittelschweden bis ins westliche Mittelmeer aus, ausgangs der
Nacht lässt die sehr gleichmäßige zyklonale Krümmung der Isohypsen keine klare
Definition der Achse mehr zu. Auffällig ist der mächtige Kaltluftkörper, der mit
dem Trog nach Südosten transportiert wird. Er weist aktuell über Island Werte um
minus 38 Grad auf, am Morgen liegen die entsprechenden Werte nordöstlich von
Schottland um minus 36 Grad. Dabei ist zu diesem Zeitpunkt das Strömungsfeld
über Deutschland in der Höhe stark divergent, so dass entsprechend Hebung
indiziert wird. Im Bodendruckfeld korrespondiert mit dem Trog ein Tief, welches
sich im Seegebiet zwischen Island und Nordnorwegen langsam nach Süden verlagert.
Dabei liegt sein Kerndruck laut ICON und EZMW kaum verändert um oder etwas unter
965 hPa, den niedrigeren Druck bietet dabei ICON an. Vom Kern des Tiefs
erstreckt sich in einem weiten Bogen über Lappland und Nordwestrussland hinweg
eine okkludierte Front, die sich in der Nacht von der Nordsee kommend in
Richtung der Mitte Deutschlands verlagert. Eine weitere Welle, die das Wetter am
Freitag prägt, liegt am Morgen etwas östlich von England, was alle Modelle
ähnlich sehen. Doch zurück zur Okklusion. Während diese zum Morgen etwa von
Pommern bis zur Eifel verläuft und mit ihr in 850 hPa eine warme Schliere
verbunden ist, in der die Temperaturen bei bis zu 2 Grad liegen, trifft man im
Norden und Süden unseres Landes meist negative Temperaturwerte an, die mit etwa
minus 4 Grad im Südosten ihr Minimum aufweisen. Präfrontal macht sich im Süden
noch immer eine schwächer werdende Hochdruckbrücke bemerkbar, die in der Höhe
von einem ebenfalls immer schwächer werdenden Höhenrücken gestützt wird, der von
einem mächtigen Höhenrücken über dem Atlantik nach Osten in Richtung
Mitteleuropa weist.

In dieser Gemengelage ziehen in südöstlicher Richtung mit der Front verbundene
leichte Niederschläge über die Nordwesthälfte Deutschlands hinweg, wobei die
Temperaturen keinen festen Niederschlag hergeben. Darüber hinaus verschärft sich
dort der Gradient, so dass an der Nord- und Ostseeküste, ebenso wie in hohen
Gipfellagen, zumindest zeitweilig Böen der Stärke 7, vereinzelt auch der Stärke
8 auftreten können. An der Nordsee fächert der Gradient in der zweiten
Nachthälfte vorübergehend etwas auf, bevor er zum Morgen hin wieder etwas
anzieht. Darüber hinaus sorgen in der Mitte und im Norden die Bewölkung und die
mit dem Wind verbundene Durchmischung für "Frostfreiheit". Im Süden können die
Temperaturen dagegen bei längerem Aufklaren in die Nähe, in höheren Lagen sogar
leicht unter den Gefrierpunkt sinken. Das gilt vereinzelt auch in tieferen
Lagen. Davon werden bei einem leichten Wind vor allem geschützte Lagen betroffen
sein, und zusätzlich muss es länger aufklaren, wofür ICON und EZMW zwischen
Schwaben und dem Breisgau die besten Chancen sehen, während man bei EURO4
dagegen kaum Chancen für Wolkenlücken erkennt. Abgesehen von der geringen
Frostgefahr ist im Süden gebietsweise Nebel ein Thema.

Freitag ... wandert der skandinavische Trog allmählich weiter nach Osten. Dabei
amplifiziert er in seinem Südteil. ICON lässt diesen Prozess jetzt, wie es
vorher auch von EZMW angedeutet wurde, am Tage über der Nordsee beginnen, bis
zum Abend liegt der Südteil des Troges dann über Dänemark, Schleswig-Holstein
und der westlichen Ostsee. Die Spitze des Troges und mit ihr die Höhenkaltluft
(ICON um -34 Grad, EZMW (Lauf 00 UTC) um -33 Grad) greift dabei bis in die
Norddeutsche Tiefebene aus, wobei der Vorstoß von ICON etwas weiter nach Süden
vorangetrieben wird als von EZMW. Das bedeutet auch eine höhere Labilisierung
und damit Gewitterneigung, Graupel- und Schneeschauer bis ins Flachland lassen
aber beide Modelle zu. Im Bodendruckfeld ist die Ausbildung eines kleinräumigen,
aber markanten Tiefs im Lee der Skandinavischen Alpen über Südnorwegen zu
erkennen, welches am Tage über den Oslofjord hinweg zum Kattegat geführt wird.
Damit dreht über der Nordsee die Strömung auf Nordwest und es wird Luft polaren
bzw. subpolaren Ursprungs herangeführt. Dies ist auch in den Theta-Feldern
deutlich zu erkennen, was uns dazu bewogen hat, diese Luftmassengrenze in
unseren Frontprognosen als Okklusion zu kennzeichnen, die in ihrem südwestlichen
Teil mit der "England-Welle" verbunden ist. Besagte Okklusion kommt bis zum
Abend nach EZMW (00 UTC-Lauf) bis zur Pfalz und nach Thüringen voran, laut ICON
erreicht sie "nur" die Mosel und Thüringen. Gleiches gilt für die Welle selbst,
die über dem Nordosten Frankreichs zu erkennen ist, bei ICON etwas weiter
nördlich als bei EZMW. Die Höhenkaltluft mit (teils kräftigen) Schauern im
Norden, die Okklusion mit Regen und Schauern im Norden und der Mitte, Die Welle
mit Regen im Westen und im Südwesten - der Freitag wird bestimmt kein schöner
Tag, die besten Chancen auf wenig Regen gibt es südlich der Donau. Das
angesprochene kleine Tief über Südskandinavien / der Ostsee sorgt darüber hinaus
in weiten Teilen des Nordens für eine deutliche Gradientverschärfung. Damit lebt
der Wind deutlich auf. In weiten Teilen der Norddeutschen Tiefebene muss mit
Böen Bft 7 gerechnet werden, an den Küsten und auf den Bergen werden Böen Bft 8
oder 9, lokal sogar Böen Bft 10 erwartet. Im Küstenbereich zeichnet ICON die
Entwicklung etwas aggressiver als EZMW, in der Norddeutschen Tiefebene ist es
tendenziell eher umgekehrt. Erwähnt sei noch die Schneefallgrenze. Auf 1000 bis
1200 m soll sie zum Abend in den östlichen Mittelgebirgen sinken, was dort in
den Hochlagen am Abend auch ein paar Flocken möglich macht.

In der Nacht zu Samstag flutet die Kaltluft auch den Süden Deutschlands,
allenfalls direkt an den Alpen kann sich die mildere Luft halten, allerdings
spielen auch hier die schon am Tage geschilderten Modellunterschiede eine Rolle.
Gleichwohl bleibt die Schneefallgrenze dort und im gesamten Südwesten bei
deutlich über 1000 m, in Richtung Nordosten dagegen liegt sie mit etwa 500 Meter
deutlich tiefer, was dort in Verbindung mit kräftigen Schauern dennoch für
festen Niederschlag reichen dürfte. Und diese Schauer sind auch zu erwarten.
Denn der Langwellentrog greift zwar weiter in Richtung Polen aus, allerdings
liegen vor allem die Gebiete nordöstlich der Elbe noch unter Luft, die in 500
hPa Temperaturen von unter minus 30 Grad aufweist. Rückseitig der Front kommt
die eingeflossene Luft nur gebietsweise und vorübergehend zur Ruhe, was vor
allem für den Südwesten gilt. Im Norden weht weiter ein lebhafter Wind mit Böen
bis zur Sturmstärke (in Schauern, an der Küste), und über England macht sich
schon das nächste Tiefdruckgebiet auf den Weg zu uns. Je nach Sichtweise wird
dabei die "alte" Front zur neuen Warmfront, oder das neue Tief (Ex-Tropensturm
"Rina") führt eine kleine, aber kräftig ausgeprägte von Nord nach Süd
verlaufende Warmfront mit sich. Unabhängig von der Interpretation setzt schon im
Tagesverlauf , vor allem aber in der Nacht Regen ein, der in Staulagen
Dauerregenpotential besitzt. Dabei lässt ICON durch eine Trockene Phase am
Samstag eine kürzere Dauerregenwarnung von Samstag bis Montag, EZMW dagegen eine
längere von Freitag bis Montag geboten erscheinen. Auch hier sind die
Modellunterschiede aber noch klar erkennbar, weitere Läufe schaffen hoffentlich
Klarheit.

Samstag ... verlagert sich der Höhentrog kaum, wir liegen weiterhin zwischen
diesem und einem Rücken über dem Atlantik unter einer kräftigen Nordwestlichen
Höhenströmung. Damit bleibt es über dem Nordosten labil mit Höhenkaltluft und
Schauern, einzelnen Gewittern und Graupel oder Schnee. Auch am Boden herrscht
eine nordwestliche bis westliche Strömung vor. In diese eingebettet wird das
schon angesprochene nächste Tiefdruckgebiet in den Süden Deutschlands geführt,
was erwartungsgemäß im Stau des Schwarzwaldes, aber auch in allen anderen
West-Nordwest-Staulagen südlich von Mosel und Main hohe Niederschlagssummen
auslöst. Im Schwarzwald simuliert ICON über 30 mm in 12 Stunden, EZMW ist mit
etwa 20 mm in gleichen Zeitraum zurückhaltender. Entscheidend für die
Niederschlagsentwicklung werden die Lage und Zugbahn sowie die
Verlagerungsgeschwindigkeit der neuen Systems sein. Laut GFS und ICON soll die
Welle um die Mittagszeit über Belgien liegen, und damit etwa 450 km weiter
westlich als noch im Vorlauf (was für beide Modelle gilt). Mehr ist zur
Modellsicherheit nicht zu sagen. Es wird aber auf jeden Fall erwartet, dass die
Schneefallgrenze nochmal auf bis zu 2000 m ansteigt. Der Wind weht weiterhin
lebhaft aus westlichen Richtungen mit starken bis stürmischen Böen an den Küsten
und in Schauer- bzw. Gewitternähe. Auf exponierten Berggipfeln kann es Sturmböen
geben. Südlich der Welle frischt der Wind deutlicher auf mit starken bis
stürmischen Böen aus Südwest bis West, im Alpenvorland sind auch vereinzelt
Sturmböen nicht ausgeschlossen. Im Bergland sind schwere Sturmböen, exponiert
orkanartige Böen wahrscheinlich. Nördlich der Welle ist die Windentwicklung
deutlich verhaltener und abseits der Konvektion gibt es in tiefen Lagen nichts
Warnwürdiges.


In der Nacht zum Sonntag zieht in die Rückseite des Langwellentrogs ein
kurzwelliger Anteil, der den Langwellentrog regeneriert. Dadurch dreht die
Höhenströmung etwas auf West zurück. Über dem Süden bleibt die Front schleifend
liegen, was auch dem auffächernden Gradienten geschuldet ist, was für weitere
Niederschläge sorgt. Ihre genaue Lage ist noch unsicher, wird aber für die
Niederschlagsintensität, Andauer und Phase von entscheidender Bedeutung sein.
Die Welle selbst verlässt uns wieder in Richtung Slowakei. Im Norden bildet sich
zwischen dem "alten" Langwellenrücken und dem in seine Rückseite hereinlaufenden
Kurzwellenanteil ein sehr schwacher Rücken, der aber die 500 hPa Temperaturen
über dem Norden etwas ansteigen lässt. Insofern verringert sich dort das
Schauer- und Gewitterrisiko.

Sonntag ... wird der kurzwellige Troganteil innerhalb der Gesamtstruktur des
Troges immer dominanter. Dabei greift dieser am Tage bis in die Schweiz, in der
Nacht zu Montag bis nach Norditalien aus, wo in der Folge ein Cut-Off-Prozess
stattfindet. Damit dringt auch die bodennahe Kaltluft bis in den Mittelmeerraum
vor, zumal sich vorderseitig eines Rückens über Westeuropa ein Hoch kräftigt,
was zu einer nördlichen bis nordwestlichen Strömung in Deutschland führt. In der
wetterbestimmenden Polarluft herrscht in Deutschland am Sonntag nasskaltes
Schauerwetter, im Bergland liegt die Schneefallgrenze bei etwa500 bis 600 m. An
den Alpen fallen die teils kräftigen Stauniederschläge zeitweise bis in Tallagen
als Schnee. In Lagen oberhalb von 800 bis 1000 m muss gebietsweise mit mehr als
30 cm Neuschnee gerechnet werden!



Modellvergleich und -einschätzung
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Bezüglich des Tiefs über dem Süden Skandinaviens und der westlichen Ostsee
zeigen die Modelle auch jetzt noch deutliche Unterschiede. ICON simuliert im
12-UTC-Lauf einen Kerndruck von unter 990 hPa über dem Kattegat. Bei GFS
(gleicher Lauf) soll das Tief dagegen mit einem Kerndruck über 990 hPa westlich
von Stockholm liegen. Das Französische LFPW folgt eher der GFS-Sicht, EZMW
ebenfalls, aber mit dem "alten" Lauf. Damit ergeben sich auch Unterschiede
bezüglich des Druckgradiente und des Windes, ferner bezüglich der
Geschwindigkeit des Front- und Kaltluftvorstoßes, was wiederum Einfluss auf die
Schneefallgrenze hat. In der Folge zeigen sich weitere teils gravierende
Modellunterschiede (siehe Text), und bezüglich der Modellkonsistenz sieht es
nicht besser aus. Somit sind befriedigende Aussagen über den Wetterablauf der
kommenden Tage erst nach weiteren Modellläufen möglich.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas