DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

28-08-2017 21:00
SXEU31 DWAV 281800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 28.08.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Zunehmend heiß und am Mittwoch im Westen Unwettergefahr durch teils heftige
Gewitter, allmählich ostwärts verlagernd.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... und in der kommenden Nacht, der Nacht zum Dienstag, weitet ein Keil
seinen Einfluss zunehmend auf ganz Deutschland aus. Der Hebungsantrieb in Form
einer Kurzwelle, der für einzelne, teils heftige Gewitter im Süden Bayerns
verantwortlich war, ist nach Südosten abgezogen. Dank fehlenden Hebungsantriebes
lässt die Konvektion in Bayern von Norden her rasch nach und beschränkt sich nur
noch auf den direkten Alpenrand. Punktuell ist noch Starkregen wenig
wahrscheinlich (markant).
Sonst überwiegt in Deutschland der Sonnenschein und nachmittägliche
Kumulusbewölkung im Osten und Norden fällt zum Abend rasch in sich zusammen,
sodass die Nacht meist klar und trocken verläuft. Der Wind weht nur schwach aus
unterschiedlichen Richtungen. Die Temperatur liegt abends zwischen 17 Grad bei
auflandigem Wind entlang der Ostsee und 27 Grad entlang des Oberrheins und geht
im Verlauf der Nacht auf Tiefstwerte von 17 Grad im Südwesten und 9 Grad in der
Lausitz zurück. Die feuchte Grenzschicht und die nächtliche Ausstrahlung dürften
entlang und südlich der Donau im Verlauf der zweiten Nachthälfte für teils
dichte Nebelfelder sorgen.

Dienstag ... verlagert sich die Keilachse über die Mitte in den Osten
Deutschlands. Abgesehen vom Nordwesten bedeutet diese synoptische Konstellation,
dass ein ruhiger und überwiegend sonniger Sommertag zu erwarten ist. Kleinere
Schönheitsfehler bestehen aus dem Frühnebel im Süden Deutschlands, der sich
allerdings rasch auflöst und aus lockerer Kumulusbewölkung, die jedoch die Sonne
nur geringfügig verdeckt. Meist scheint die Sonne von der Früh bis zum Abend von
einem wolkenlosen oder gering bewölkten Himmel und es bleibt trocken.
Davon ausgenommen ist der Nordwesten, der im Tagesverlauf auf die Rückseite der
Keilachse gelangt, wo sich eine zunehmend zyklonal geprägte Strömung etabliert.
In diese eingelagert erfasst im Tagesverlauf ein Frontenzug Benelux und
Nordwestdeutschland. Dies äußert sich durch teils dichte Wolkenfelder, die von
Südwest nach Nordost vorüberziehen und einem zum Abend hin zunehmenden Schauer-
und Gewitterrisiko. ML/MUCAPE um 400 J/kg und 15 m/s hochreichender Scherung in
Verbindung mit schwacher Warmluftadvektion deuten auf kurzlebige und abgehobene
Konvektion hin, die lokal markanten Starkregen bringen kann. Der Wind weht meist
schwach aus Süd bis Südwest, im Süden eher aus Ost. Die Höchstwerte liegen
zwischen 26 und 32 Grad mit den höchsten Werte im Westen und Südwesten. Entlang
der Küsten bleibt es mit rund 23 Grad ein bisschen kühler.

Im Verlauf der Nacht zum Mittwoch ändert sich an dieser Verteilung nur wenig.
Weite Bereiche Deutschlands erwarten eine trockene und klare Nacht. Im Verlauf
der zweiten Nachthälfte nähert sich dem Südwesten eine schwache Kurzwelle von
den Vogesen, die sich jedoch nur durch eine Zunahme hoher Bewölkung (Cirren)
bemerkbar macht. Bodennebel sollte im äußersten Süden nur noch örtlich ein Thema
sein.
Über dem Nordwesten bleibt allerdings der Frontenzug weiterhin in Form dichter
Bewölkung wetteraktiv. Aktuell die größten Wahrscheinlichkeiten für eine
Fortdauer der Schauer- und Gewitteraktivität sind im Bereich zwischen
Emsland-Cuxhaven und Schleswig-Holstein zu erwarten. Hier liegt die Front mit
einer Schliere von 100-300 J/kg MUCAPE und neben der Front selber sind hier auch
synoptisch-skalige Hebungsmechanismen zu erwarten. Weiter im Landesinneren
sollte hingegen Absinken für ein abnehmendes Niederschlagsrisiko sorgen.
Wiederholt auftretende Schauer und Gewitter können besonders in
Schleswig-Holstein strichweise um 20 l/qm in 12 Stunden bringen, sonst fallen
die Niederschlagsmengen jedoch gering aus. Die Tiefstwerte liegen zwischen 18
und 9 Grad, wobei in einzelnen Ballungsräumen Südwest- und Westdeutschlands auch
eine Tropennacht nicht ausgeschlossen werden kann. Der Wind weht meist schwach
aus Süd.

Mittwoch ... etabliert sich ein markanter Langwellentrog über Westeuropa und
erreicht im Tagesverlauf die Biskaya. Stromabwärts wird der markante Höhenkeil
zwar weiter gestützt, allerdings auch geringfügig nach Osten gedrückt, sodass
nun weite Bereiche Deutschlands zunehmend in eine zyklonal geprägte
Südwestströmung gelangen. Im Einzugsbereich eines kräftigen Höhenjets nimmt
zudem im Tagesverlauf die Höhendivergenz in weiten Bereichen West- und
Mitteleuropas immer weiter zu. Diese wiederum unterstützt eine Bodenzyklogenese
über Frankreich, die im Tagesverlauf unter Intensivierung entlang des bereits
erwähnten Frontenzuges/der Bodentiefdruckrinne nordostwärts in Richtung Benelux
ziehen soll. Als Folge daraus intensiviert sich die Warmfront über dem äußersten
Nordwesten und Norden Deutschlands weiter und wird zögernd nordwärts gedrückt.
Diese gesamte synoptische Konstellation sorgt für eine Konvektionsvorhersage,
die noch mit großen Unsicherheiten behaftet ist.

Ausgangs der Nacht und am Vormittag dürfte die Höhendivergenz in Verbindung mit
der zunehmenden synoptisch-skaligen als auch frontal induzierte Hebung über dem
gesamten Nordwesten für zahlreiche Schauer und Gewitter sorgen. Je nach
endgültiger Lage des Bodentiefs zu diesem Zeitpunkt könnte bereits ein
Gewittercluster über Benelux nordostwärts ziehen und den äußersten Nordwesten
mit konvektiv verstärktem Regen über mehrere Stunden beeinflussen. Die
Unwettergefahr sollte zu diesem Zeitpunkt noch gering sein, allerdings kann
bereits Starkregen im markanten Bereich (stündlich und über mehrere Stunden
hinweg) über dem äußersten Nordwesten ein Thema werden. Dieser Cluster soll im
Tagesverlauf weiter nach Nordosten ziehen, sodass in 12 Stunden zwischen
Schleswig-Holstein und dem Westen von Niedersachsen um 25 l/qm Niederschlag
fallen kann - der Großteil innerhalb weniger Stunden.
Weiter südlich (vom Ruhrgebiet bis Südniedersachsen) sorgen das Zusammenspiel
aus hoher Grenzschichtfeuchte und temporärer Einstrahlung für den Aufbau von
rund 1000 J/kg MLCAPE (lokal höher) in einer Umgebung von 25 m/s hochreichender
Scherung. Die Passage einer Kurzwelle sowie eine mögliche Bodenkonvergenz sorgen
im Verlauf des Nachmittags für die Bildung zahlreicher teils heftiger Gewitter,
die von Südwest nach Nordost ziehen. Für Detailfragen ist es noch zu früh und
diese hängen stark von der finalen Geometrie des Bodendruckfeldes ab, doch CAPE
und Scherung deuten auf organisierte Konvektion in Form von Multizellen und
einzelnen Superzellen hin. Der Schwerpunkt der Wettergefahren liegt besonders im
Hagel während der Entwicklung der Gewitter und in der Folge im Bereich der
Sturmböen. Einzelne schwere Sturmböen sind zwar möglich, allerdings sorgt ein
relatives Minimum von 0-3 km Scherung (unter 15 m/s) aktuell für große
Unsicherheiten bezüglich der finalen Sturmböengefahr. Die weitere
Modellentwicklung sollte diesbezüglich genau verfolgt werden. Das Tornadorisiko
ist zwar dank einer feuchten Luftmasse mit einem mäßigen
Hebungskondensationsniveau zum Abend nicht null, allerdings scheint die stärkste
Scherung eher auf die Bereiche der Warmfront fokussiert zu sein, die wiederum
mit fehlender diskreter Entwicklung und eher abgehobener Konvektion aufwartet.
Auch diese Entwicklung muss mit Annäherung an das Ereignis weiter verfolgt
werden (auch mit Blick auf die Lage des Bodentiefs, die beim letzten EZMW-Lauf
von 00 UTC mit einer südlicheren Lösung für Nordwestdeutschland interessant
wäre).
Zuletzt seien noch der Südwesten und da besonders das Bergland erwähnt, wo sich
im Tagesverlauf entlang der Orografie einzelne Gewitter entwickeln können, die
dank guter Scherung und hoher Labilität ebenfalls lokal Unwetterpotential durch
Hagel und Sturmböen aufweisen. Wie verbreitet diese Aktivität ausfallen wird
hängt noch vom timing einer Kurzwelle und nachfolgender Subsidenz ab, doch eine
im Nachmittagsverlauf zunehmende Scherung in den untersten 3000 m könnte auch
auf eine steigende Sturmböengefahr und längere Lebensdauer hindeuten,
gegensätzlich zu dem, was die Modelle aktuell andeuten (die Konvektion recht
nahe an der Orografie belassend).
Der Osten und besonders Südosten werden vom Keil und synoptisch-skaligem
Absinken beeinflusst und dort bleibt es bei sonnigem oder nur leicht bewölktem
Himmel bis zum Abend trocken. Die Höchstwerte liegen abgesehen vom Nordwesten
zwischen 28 und 33 Grad und im Nordwesten zwischen 23 und 27 Grad. Abseits von
Konvektionsböen weht der Wind nur schwach aus Süd bis Südwest, im Osten eher aus
Ost bis Südost.

Im Verlauf der Nacht zum Donnerstag ist eine zeitliche und räumliche
Differenzierung der Konvektion nur schwer möglich. Das Bodentief verlagert
seinen Schwerpunkt zögernd nach Nordosten und liegt ausgangs der Nacht in einem
Bereich zwischen Norddeutschland und Dänemark (noch recht große Modellstreuung).
Rückseitig wird eine Kaltfront in den Westen geführt, die jedoch wiederum
strömungsparallel gelegen nur sehr zögernd nach Osten vorankommt. Gleichzeitig
sorgen die Trogvorderseite mit mehreren Kurzwellen, weiter andauernde
Höhendivergenz und der Front selber für reichlich Hebung, sodass die Nacht über
abgesehen vom äußersten Südosten, dem Westen und Nordwesten mit teils kräftigen
Schauern und Gewittern gerechnet werden muss. Das Unwetterpotential (Hagel,
Starkregen) schwächt sich im Verlauf der ersten Nachthälfte sukzessive ab und
die Gewittergefahr verlagert sich zunehmend in den Süden und Osten Deutschlands.
Postfrontal fehlt zwar die hochreichende Labilität, doch sorgen hier Hebung und
eine marine Nordseeluft für eine Fortdauer der Schaueraktivität. Die Tiefstwerte
liegen zwischen 17 und 13 Grad und der Wind weht abseits der Schauer und
Gewitter leicht bis mäßig aus Südwest mit einzelnen Sturmböen auf exponierten
Berggipfeln. Über der Deutschen Bucht dreht der Wind zunehmend auf Nord und
frischt stark, zeitweise auch stürmisch auf.

Donnerstag ... nähert sich der Höhentrog Mitteleuropa weiter an, sodass die
Frontalzone in Form einer strammen Südwestströmung quer über Deutschland liegt.
Dabei wird die Kaltfront allmählich weiter nach Osten gedrückt, da sich
gleichzeitig ein Bodenhoch über Nordfrankreich allmählich ostwärts ausweitet.
Diese Front trennt feucht-heiße Luft im Südosten und äußersten Osten von mäßig
warmer Nordseeluft im Westen und Norden. Entsprechend zeigen sich der Westen und
Norden zunächst wolkenverhangen mit zahlreichen Schauern. Im Verlauf des
Nachmittags nimmt jedoch der Hochdruckeinfluss in diesen Bereichen allmählich
zu, die Bewölkung lockert auf und die Niederschlagsneigung nimmt rasch ab. Dies
alles bei Höchstwerten um 22 Grad und einem mäßigen Wind aus West bis Nordwest.
Im Süden und Osten hingegen beginnt der Tag noch mit einzelnen
Wolkenauflockerungen, bevor sich hier im Verlauf des Nachmittags die Bewölkung
von Südwesten verdichtet und verbreitet teils heftige Schauer und Gewitter aus
der Schweiz und den Alpen heraus nach Nordosten ziehen. Scherung und Labilität
würden organisierte Gewitter mit Unwetterpotential bezüglich Starkregen und
Hagelschlag unterstützen. Auch das Sturmböenpotential ist erhöht, allerdings ist
das Vorhersagefenster für eine detaillierte Eingrenzung der Begleiterscheinungen
noch zu groß. Vor dem Eintreffen der Gewitter wird es allerdings mit 27 bis 31
Grad nochmals schwül-heiß und das bei einem schwachen Wind aus West.


Modellvergleich und -einschätzung
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Bezüglich der großskaligen synoptischen Entwicklung sind innerhalb der
Globalmodelle nur geringe Unterschiede im Druckfeld auszumachen. Allerdings sind
diese Differenzen bedeutend mit Blick auf die exakte Gewittervorhersage, wie zum
Beispiel die Lage des Bodentiefs am Mittwoch. EZMW deutet zum 18 UTC Termin eine
südliche Position über Westdeutschland an, während diese bei GFS und ICON weiter
nördlich über dem Nordwesten zu finden ist. Dies hat Auswirkungen auf die Lage
der stärksten Gewitter an diesem Tag. Auch die zeitliche Verlagerung dieses
Bodentiefs nach Nordosten ist noch unsicher (zwischen ICON und EZMW am
Donnerstag 06 UTC rund 400 km Differenz). Dies hat Einfluss auf die
Verlagerungsgeschwindigkeit der Front von West nach Ost über Deutschland hinweg.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Modelle die allgemeine
Wetterentwicklung gut erfassen und auch alle das Potential für Unwetter
(Gewitter) andeuten, allerdings eine Regionalisierung des höchsten
Unwetterpotentials noch mit Unsicherheiten behaftet ist.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy