Thema des Tages

22-08-2017 14:40

Waldbrandgefahr (Teil 3) ? Das Feuer gestaltet sich das Wetter selbst



Im Thema des Tages vom 27. Juli 2017 (http://bit.ly/2x8fwj0 ) wurden
bereits lokale Windphänomene aus dem Westen der USA beschrieben, die
immer wieder das unkontrollierte Ausbreiten von Bränden unterstützen
und teils erhebliche Schäden in der Vegetation und Landwirtschaft
hervorrufen, im schlimmsten Fall auch Menschenleben fordern. Heute
soll jedoch der Aspekt betrachtet werden, wieso sich Brände ohne
Veränderung der meteorologischen Parameter plötzlich unkontrolliert
ausbreiten können.

Zuvor sollen jedoch die Bedingungen für eine erhöhte Waldbrandgefahr
in Erinnerung gerufen werden. Dabei handelt es sich um eine Mischung
aus Klimatologie und Wetter. Besonders betroffen sind Regionen, die
unter Trockenheit leiden. Diese wird teilweise schleichend über einen
längeren Zeitraum, teilweise aber auch zeitnah durch eine intensive
Hitzewelle hervorgerufen. Auch können die vorausgegangenen Jahre eine
Rolle spielen, denn das Brandmaterial am Boden kann sich über Jahre
hinweg ansammeln. Neben diesen Hintergrundbedingungen sind natürlich
auch meteorologische Parameter wie Temperatur, Feuchte und Wind
ausschlaggebend, wie ausgeprägt die Waldbrandgefahr ausfällt und wie
schnell sich ein Brand entwickeln und ausbreiten kann.

Stellen Sie sich nun aber einen Waldbrand vor, der vor Kurzem
ausbrach und sich unter äußerst günstigen Bedingungen explosionsartig
vergrößern konnte. Dabei findet der Waldbrand sehr viel Nahrung in
Form dichter, trockener Wälder und auch sehr förderlicher
meteorologischer Bedingungen wie einer sehr trockenen und heißen
Luftmasse mit einem mäßigen Wind aus Süd vor. Man könnte nun
annehmen, dass die Ausbreitung dieses Waldbrandes wenigstens
hinsichtlich seiner Richtung gut abzuschätzen ist und dass nur die
rasante Ausbreitung des Feuers ein Problem darstellen könnte. Wie
soll es da zu Überraschungen kommen?

Die Schwierigkeit für die Brandbekämpfer aber ist, dass sich das
Feuer sein eigenes Wetter erzeugen kann, denn die Luftmasse über so
einem Brand wird erwartungsgemäß extrem erhitzt. Um ein Beispiel zu
nennen: Bei dem Waldbrand in Portugal Mitte/Ende Juni 2017 wurde per
Satellit im Bereich des Feuers eine Temperatur von rund 500 Grad
gemessen. Dass dies jedoch nur von einem Satelliten geschätzte und
eher grobe Werte sind, zeigen Messungen bei ?normalen? Waldbränden
mit einer Flammenhöhe von bis zu 1 m, wo Temperaturwerte von rund 800
Grad und bei großen Waldbränden von bis zu 1200 Grad ermittelt
wurden. Solch extreme Temperaturanomalien hinterlassen natürlich auch
beim Luftdruck im Umfeld des Feuers ihre Spuren. Erwärmte Luft weitet
sich aus und gleichzeitig sinkt der Luftdruck, sodass sich ein sehr
kleinräumiges, aber intensives ?Hitzetief? entwickeln kann. Dieses
ist eben bei explosiven und äußerst intensiven Waldbränden besonders
stark ausgeprägt. Da die Natur um Ausgleich bestrebt ist, findet ein
Massentransport in Form eines Windes zum tiefen Druck hin statt, der
bezüglich seiner Intensität und Richtung variabel ist und sogar
Sturmstärke erreichen kann (siehe Bild a) im Anhang).

Nun sind wir in der Lage die vorhin gestellte Frage zu beantworten,
wieso es trotz der mäßig wehenden und beständigen Südwinde doch zu
Überraschungen kommen kann, denn im direkten Umfeld des Feuers kann
sich die Windgeschwindigkeit lokal deutlich verstärken. In
Extremfällen werden gar teils schwere Sturmböen (Bft 10) im direkten
Umfeld des Feuers gemessen, die wiederum das Feuer entsprechend
weiter anfachen. Dadurch breitet sich das Feuer flächenmäßig aus,
sodass der Luftdruck großflächig sinken und sich das lokale
?Hitzetief? weiter verstärken kann. In solch einem Zustand ist ein
Waldbrand bezüglich seiner Ausbreitungsgeschwindigkeit und -richtung
absolut unberechenbar. Orografische Effekte können zudem auch die
wechselnde Windrichtung unterstützen und anstatt der vorhergesagten
mäßigen Südwinde haben es die Brandbekämpfer dann im direkten Umfeld
des Feuers mit Böen und einer ständig wechselnden Windrichtung zu
tun.

Als wäre das nicht genug, kann ein großer Waldbrand noch in einer
weiteren Art und Weise das Wetter lokal beeinflussen. Durch die
Verbrennung der Hölzer und Gräser entsteht über dem Feuer ein starker
Aufwind, da warme Luft leichter ist als die kühlere Umgebungsluft.
Die extrem erhitzte Luft kann somit bis in die obere Troposphäre
aufsteigen, sich auf dem Weg nach oben abkühlen und kondensieren. Es
kommt zur Bildung von Wasser- und Wolkentröpfchen. Bei besonders
intensiven Bränden entwickeln sich hochreichende Quellwolken, die
Niederschlag bilden und manchmal auch blitzen - ein Gewitter ist
geboren.

Solche Gewitter weisen aber häufig die Merkmale eines ?trockenen
Gewitters? auf. Der in der Wolke gebildete Niederschlag verdunstet
dabei auf dem Weg zum Boden zum größten Teil, nachdem dieser die
extrem trockene und heiße Luftmasse unterhalb der Wolke passieren
musste. Die Gewitter sind auch meist nicht sehr intensiv und
langlebig, doch können ihre Blitze und ein böiger Wind neue
unkontrollierte Brände auslösen. Diese Gewitterwolken werden in der
Meteorologie ?Pyrocumulus" genannt. Das Beispiel von einem kleinen
Pyrocumulus ist im beigefügten Bild unter b) und c) zu finden.

Dies zeigt, wie schnell ein Waldbrand die lokalen Wetterbedingungen
verändern kann und dadurch die Brandbekämpfung unberechenbar wird.
Zwar können speziell geschulte Meteorologen äußerst wichtige
Informationen für die Waldbrandbekämpfer liefern, doch müssen die
Vorhersagen sehr häufig entsprechend der Ausprägung des Brandes
aktualisiert werden und nicht selten fallen so kleinräumige und
kurzfristige Entwicklungen im Umfeld eines Brandes weiterhin durch
das Raster der Beobachter und Messstationen.

Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 22.08.2017

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