DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

20-07-2017 21:00
SXEU31 DWAV 201800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 20.07.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Nachts nach Abzug der Gewitter deutliche Wetterberuhigung. Freitag ab dem späten
Nachmittag im Süden, Samstag außer im Nordwesten erneut Gewitter mit
Unwetterpotenzial.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines westeuropäischen
Höhentroges mit Drehzentrum bei Irland. Im Laufe der Nacht weitet sich der Trog
allmählich etwas nach Süden aus, so dass die Höhenströmung über dem
Vorhersagegebiet etwas aufsteilt. Ein flacher kurzwelliger Anteil über dem
Nordosten des Landes läuft dabei im Laufe der Nacht in den vorgelagerten flachen
Höhenrücken über dem Westen Polens und schwächt sich dabei ab. Dahinter nimmt
die Höhenströmung eine leicht antizyklonale Kontur an.
Im Bodenfeld erstreckt sich eine flache Tiefdruckrinne über den Norden und Osten
Deutschlands hinweg südostwärts. Diese kommt im Laufe der Nacht, ebenso wie die
darin eingebettete Warmfront, allmählich nach Nordosten voran und verläuft
Freitagfrüh über Dänemark hinweg zur südlichen Ostsee. Die Kaltfront des ins
Seegebiet nördlich von Schottland ziehenden Bodentiefs überquert den Norden und
die Mitte des Landes, erweist sich aber mangels Hebungsantrieb und bei zunehmend
antizyklonalen Einfluss auch im Bodenfeld als kaum wetterwirksam. Im Vorfeld
wird die noch über dem Osten und Südosten liegende instabile Luftmasse ostwärts
abgedrängt und postfrontal durch erwärmte Meeresluft ersetzt. Vor allem in der
ersten Nachthälfte gibt es dort noch teils kräftige Gewitter bzw. mit Gewittern
durchsetzten Starkregen, wobei bei PPW-Werten von über 40 mm vor allem bzgl.
Starkregens auch Unwetter nicht ausgeschlossen sind. Später ziehen die Gewitter
allerdings rasch ostwärts ab.
Ansonsten steht eine wettertechnisch ruhige Nacht ins Haus. Eventuelle Gewitter
in den übrigen Landesteilen fallen am Abend bzw. in der ersten Nachthälfte rasch
in sich zusammen und die Wolken lockern deutlich auf. Dabei kann sich
stellenweise Nebel bilden.

Freitag ... steilt die Höhenströmung noch etwas auf, wobei sich über dem Osten
des Vorhersagegebietes ein Höhenrücken formiert. Insgesamt kommt der
westeuropäische Höhentrog unter Ausweitung nach Süden auch ein wenig nach Osten
voran, so dass die Westhälfte Deutschlands zunehmend auf dessen Vorderseite
gerät. Ein kurzwelliger Anteil erreicht am Abend Ostfrankreich, auf dessen
Vorderseite kommt dann über dem Südwesten des Landes vor allem aufgrund von PVA
verstärkt dynamische Hebung in Gang.
Im schwachgradientigen Bodenfeld setzt vor allem im Südwesten und Süden leichter
Druckfall ein und eine flache Tiefdruckrinne weitet sich dorthin aus. Die nur
wenig wetteraktive Kaltfront über Süddeutschland kommt somit nach weiter nach
Süden voran, sondern verlagert sich als Warmfront bis zum Abend wieder ein Stück
weit nach Norden. Somit gelangen in die Südhälfte von Südwesten her erneut
zunehmend potenziell instabile Luftmassen. Abends wird eine ML-Cape von
teilweise über 1000 J/kg, vereinzelt auch über 1500 J/kg simuliert bei
PPW-Werten von über 30 mm. Ausgehend vom Bergland, dürfte etwa ab dem frühen
Nachmittagsstunden die Gewittertätigkeit allmählich in Gang kommen, da sich die
Keilachse bereits weiter östlich befindet und kaum mehr dämpfend wirkt.
Entsprechende Signale haben die Konvektion zulassenden Modelle erwartungsgemäß
zunächst insbesondere für die Schwäbische Alb und den Südschwarzwald auf der
Karte, später dann auch für das Allgäu und Werdenfelser Land. Bis zum Abend
weiten sich die Gewitter allmählich nordwärts aus, werden aufgrund der
einsetzenden Hebung häufiger und können sich auch von den Mittelgebirgen bzw.
vom Alpenrand lösen. Die Nordgrenze der instabilen Luftmasse verläuft zum 18
UTC-Termin in etwa von der Südpfalz bis zum Westerzgebirge. Prinzipiell sind
südlich dieser Linie Gewitter möglich.
Als Begleiterscheinungen dürften in erster Linie Starkregen, aber auch Hagel
eine Rolle spielen. Dabei besteht kleinräumig auch ein recht hohes
Unwetterpotenzial, vor allem - aufgrund der langsamen Zuggeschwindigkeit - bzgl.
Starkregens, wobei auch extreme Ereignisse nicht ausgeschlossen sind. Der Hagel
dürfte dagegen die 2 bis 4 cm Korngröße kaum überschreiten.
Der Norden und die Mitte des Landes befinden sich im Einflussbereich der
deutlich stabiler geschichteten erwärmten Meeresluft, die sich bei schwachem
Zwischenhocheinfluss wieder etwas erwärmen kann. Bis zum Abend steigt die
Temperatur in 850 hPa auf Werte zwischen 8 Grad an der Nordsee und 17 Grad in
Südostbayern. Dabei bleibt es im Nordosten - nahe der immer noch vorhandenen
quasistationären, aber sich langsam auffüllenden Tiefdruckrinne eher bewölkt,
sonst scheint oft die Sonne. Die Temperaturen steigen im Norden auf 22 bis 26
Grad, an den Küsten auf 20 Grad, sonst auf 24 bis 30 Grad.

In der Nacht zum Samstag verlagert sich die Achse des Höhenrückens allmählich
nach Westpolen und das ganze Land gerät auf die Vorderseite des sich mit seinem
Drehzentrum Richtung Wales verlagernden Höhentroges. Dabei schwenkt -
eingebettet in die südwestliche Höhenströmung - ein Kurzwellentrog allmählich
über die Südhälfte Deutschlands hinweg nordostwärts. PVA, unterstützt von WLA
halten den dynamischen Hebungsantrieb auf dessen Vorderseite somit die ganze
Nacht über hinweg aufrecht.
Im Bodenfeld kommen die Warmfront und mit ihr die instabil geschichtete
Luftmasse nach Norden voran und erreichen morgens in etwa die Regionen zwischen
Weser und Elbe. Dabei verwellt die Warmfront und die zugehörige Kaltfront
erreicht bereits den äußersten Westen Deutschlands, so dass sich die instabile
Luftmasse bis dorthin nicht mehr ausweiten kann.
Aufgrund der Hebungsprozesse dauert die Gewittertätigkeit die Nacht über hinweg
an und weitet sich allmählich nordwärts, auch auf die mittleren und teilweise
östlichen Landesteile aus. Ausgespart bleiben wohl der Norden, Nordosten und der
äußerste Westen, wo die Nacht überwiegend ruhig und warnfrei verläuft, während
sich das Wetter im Südwesten nach Abzug der Gewitter ebenfalls wieder beruhigt.

Die MU-Cape erreicht Werte um 1000 J/kg, die PPW-Werte bleiben mit über 30 mm
hoch. Was für organisierte kräftige Systeme fehlt, ist vor allem hochreichende
Scherung, die erst in der zweiten Nachthälfte ein wenig zunimmt (bis 15 m/s in
den Regionen mit der höchsten Cape). Dennoch ist die Ausbildung eines oder
mehrerer konvektiver Systeme denkbar mit Begleiterscheinungen im markanten
Bereich, in erster Linie den Starkregen, anfangs aber auch den Hagel und den
Wind betreffend. Unwettergefahr besteht vor allem in der ersten Nachthälfte noch
bzgl. des Starkregens. Bzgl. der räumlichen Verteilung der konvektiven
Niederschläge, insbesondere was deren Ausweitung nach Westen betrifft, gibt es
noch kleinere Modelldifferenzen.

Samstag ... gerät Deutschland mehr und mehr in den Einflussbereich des
Höhentroges, dessen Drehzentrum sich abends über Südengland befindet.
Trogvorderseitig bleibt - getriggert vor allem durch PVA - weiterhin kräftige
dynamische Hebung über dem Vorhersagegebiet aktiv, wobei die stärkste Hebung
unmittelbar vorderseitig des über die Mitte Deutschlands hinweg nach Nordosten
ziehenden Kurzwellentroges simuliert wird.
Im Bodenfeld kommen die Warmfront und mit ihr die instabile Luftmasse weiter
nach Norden voran und erfassen - mal abgesehen von der Ostseeküste - auch den
Nordosten des Landes. Die Kaltfront über dem äußersten Westen des Landes kommt
dagegen kaum nach Osten voran und neigt zur Wellenbildung. Somit geraten weite
Teile des Vorhersagegebietes in den Einflussbereich potenziell instabil
geschichteter Luftmassen. Die PPW-Werte bewegen sich meist zwischen 30 und 35
mm, ICON-EU simuliert dazu eine ML-Cape von 1000 bis 1500 J/kg, deren
Realisierung allerdings mal wieder von der nur schwer abschätzbaren
Sonneneinstrahlung abhängt.
Summa summarum steht aber auf jeden Fall die nächste Unwetterlage ins Haus,
zumal auch die hochreichende Scherung mit Trogannäherung zunimmt (auf etwa 15
bis 20 m/s, stellenweise eventuell auch mehr) und somit auch organisierte
langlebigere Strukturen zulässt. Schwerpunkte lassen sich nach aktueller
Modelllage natürlich noch keine ausmachen, zumal alles auch sehr von der
Vorgeschichte (nächtliche "Gewitterclusterei") abhängt. Dennoch scheinen sowohl
das Ostseeumfeld als auch der äußerste Westen, wo postfrontal eine etwas
stabilere Luftmasse Fuß fasst, außen vor zu bleiben. Die höchsten Regenmengen
werden von den vorliegenden Modellen im Bereich der Warmfront bzw. der stärksten
simulierten Hebung über dem Nordosten Deutschlands simuliert (ICON-EU bis 50 mm
in 12 Stunden unmittelbar westlich von Berlin), grob aus heutiger Modellsicht
dürften die gesamte Osthälfte und der Südosten bzw. Süden Bayerns als die
Regionen mit der höchsten Unwetterwahrscheinlichkeit einzustufen sein.
Am Abend greift allerdings das okkludierte Frontensystem des mit dem Höhentrog
korrespondierenden Bodentiefs auf Benelux über und das vorgelagerte Regengebiet
erreicht dann auch die Westgrenze Deutschlands mit allerdings meist nur leichten
schauerartigen Regenfällen.
Mit längerem Sonnenschein ist wohl am ehesten im Westen und Süden zu rechnen,
während es im Nordosten eher bewölkt bleibt. Sommerlich warm wird es mit
Höchstwerten zwischen 23 und 29 Grad überall - im Südosten können eventuell auch
die 30 Grad angekratzt werden. Nur an den Küsten bleibt es etwas kühler.

In der Nacht zum Sonntag verlagert sich der Höhentrog mit seinem Drehzentrum zur
südwestlichen Nordsee, von Westen her greift ein weiterer kurzwelliger Anteil
auf Deutschland über.
Das mit dem Trog korrespondierende Bodentief verlagert sich zur mittleren
Nordsee. Das okkludierte Frontensystem kommt bis in die Mitte Deutschlands
voran. Mit der auf Südwest bis West drehenden Grundströmung wird die instabilste
Luftmasse rasch nach Osten abgedrängt, anfangs kann es aber in der Osthälfte
noch einzelne kräftige Gewitter bis in den Unwetterbereich geben. Nach kurzer
Wetterberuhigung greifen die frontgebundenen schauerartigen Niederschläge von
Westen her bis morgens auch auf die mittleren Landesteile über und verstärken
sich aufgrund der dynamischen Hebungsprozesse vorderseitig des Kurzwellentroges
noch etwas. Bei immer noch vorhandener MU-Cape gibt es auch kurze Gewitter, die
lokal eng begrenzt von Starkregen begleitet werden können. Mit deutlich
zunehmender Scherung (teils über 20 m/s) sind auch organisierte Strukturen und
stürmische Böen denkbar, allerdings bleibt die Unwettergefahr mangels
Luftmassenqualität gering.

Sonntag ... verlagert der Höhentrog sein Drehzentrum zur Deutschen Bucht bzw.
knapp westlich davon. An dessen Südostflanke bleibt die westsüdwestliche
Höhenströmung über Deutschland recht glatt konturiert, kurzwellige Anteile
lassen sich kaum, und wenn überhaupt, nur anhand der Hebungs- bzw.
Advektionsfelder ausmachen.
Das Bodentief über der mittleren Nordsee weist kaum Verlagerungstendenz auf. Das
Frontensystem überquert im Tagesverlauf auch die Osthälfte des Landes, ihm folgt
erwärmte subpolare Meeresluft. Mit Annäherung des Bodentroges verschärft sich im
Westen Deutschlands vor allem im Nachmittagsverlauf der Druckgradient und der
Wind frischt aus Südwest bis West auf, vereinzelt gibt es steife, in exponierten
Mittelgebirgslagen eventuell auch stürmische Böen (Bft 7 bis 8).
Die frontgebundenen schauerartigen Niederschläge beeinflussen zunächst noch die
Osthälfte, wobei es auch einzelne Gewitter mit Starkregen geben kann.
Nachmittags ziehen sie auch von dort aus ostwärts ab. Dahinter kommt es erst
einmal zu einer Wetterberuhigung und es gibt kaum mehr Schauer.
Mit Annäherung des Troges wird im Tagesverlauf in den Nordwesten zunehmend
höhenkalte Luft advehiert, die Temperatur in 500 hPa sinkt auf -18 bis -21 Grad,
in 850 hPa auf etwa 7 Grad. Somit lebt dort vor allem ab mittags die
Schauertätigkeit wieder etwas auf, bei einer simulierten Cape von mehreren 100
J/kg sind auch kurze Gewitter mit Graupel, eventuell Starkregen und Böen 7 bis 8
Bft denkbar.
Insgesamt steht ein recht bewölkter Tag ins Haus, vor allem im Süden und in der
Mitte lockern die Wolken aber auch mal stärker auf. Bei 850 hPa-Temperaturen
zwischen 7 Grad im Nordwesten und 12 Grad im Südosten werden Höchstwerte
zwischen 21 und 26 Grad erwartet, im Südosten vielleicht noch stellenweise
darüber, an der Nordsee teils darunter.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle simulieren im Großen und Ganzen eine sehr ähnliche
Wetterentwicklung im Kurzfristbereich. Die Differenzen, insbesondere, was die
räumliche Verteilung der konvektiven Niederschläge angeht, liegen im normalen
Bereich und wurden im Text - soweit prognose- bzw. warnrelevant - angesprochen.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff