DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

18-07-2017 09:00
SXEU31 DWAV 180800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 18.07.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Übergang zu TrW
Heute Abend im Südwesten und an den Alpen vereinzelte kräftige Gewitter mit
Hagel und Starkregen, Unwetter nicht ausgeschlossen. Ab Mittwochnachmittag von
Nordwest nach Südost zunehmende Gewitterwahrscheinlichkeit mit steigendem
Unwetterpotenzial.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... gerät Deutschland zunehmend in den Einflussbereich eines
Höhenrückens, der sich über Benelux und die Nordsee hinweg - gestützt durch WLA
auf der Vorderseite eines Langwellentroges über dem nahen Ostatlantik -
nordwärts bis zum Nordmeer aufwölbt und nur langsam nach Osten vorankommt. Der
Rücken wird quasi unterlaufen von einem flachen Kurzwellentrog, der von
Frankreich her bis zum Abend auf Südwestdeutschland übergreift und nachts über
die Südhälfte des Landes hinweg ostwärts zieht.
Im Bodenfeld erstreckt sich eine Hochdruckzone von der Nordsee über
Norddeutschland hinweg bis ins östliche Mitteleuropa. Diese zeigt kaum
Verlagerungstendenz und kommt mit ihrer Achse nur geringfügig nach Norden voran.
Südlich der Hochdruckbrücke setzt über Südwest- und Süddeutschland Druckfall ein
und im Tagesverlauf weitet sich eine flache Tiefdruckrinne dorthin aus. Somit
gerät die Südhälfte zunehmend in den Einflussbereich potentiell instabiler
Luftmassen. Die ML-Cape steigt bis zum späten Nachmittag/Abend auf etwa 500 bis
1000 J/kg, nach Lesart der Konvektion zulassenden Modelle (z.B. COSMO-DE, WRF 4
km) teilweise auch bis nahe 1500 J/kg bei PPW-Werten um 30 mm. Insgesamt ist
diese Luftmasse aber zunächst vorderseitig des weiter oben erwähnten Rückens
ziemlich "gedeckelt", zeichnet sich also durch eine recht hohe konvektive
Hemmung (CIN) bzw. auch durch eine hohe Auslösetemperatur aus. Zur Auslöse
bedarf es also eines Triggers, der einerseits durch die Orografie, andererseits
aber auch durch den sich annähernden flachen Kurzwellentrog gegeben sein sollte.
Entsprechend haben auch quasi alle hochauflösenden Modelle - ausgehend vom
Bergland - vereinzelte konvektive Signale im Programm. Am ehesten im Bergland
Südwestdeutschlands (Schwarzwald, Schwäbische Alb, Alpenrand), aber auch in
Oberschwaben und im südlichen Alpenvorland. Begleiterscheinungen der eventuell
auftretenden Gewitter sind wohl in erster Linie Hagel und Starkregen, punktuell
auch bis in den Unwetterbereich. Für langlebigere und organisierte Konvektion
fehlt es allerdings zumeist an Scherung, lediglich für die Regionen südlich der
Schwäbischen Alb (insbesondere in Oberschwaben bzw. im Bodenseeraum) simulieren
das WRF 4 km (Lauf von heute, 03 UTC) bzw. der 3 UTC-Lauf des COSMO-DE
langlebigere Gewitterzellen, was wohl mit dem durch die Alb modifizierten
bodennahen Windfeld und der dadurch verbesserten Scherung in der Grundschicht
zusammenhängt. COSMO-DE-EPS zeigt die höchsten Wahrscheinlichkeiten für
Starkregen (auch bis in den Unwetterbereich) in dieser Region, aber auch am
unmittelbaren Alpenrand (südliches Oberallgäu).
Die Nordgrenze dieser instabilen Luftmasse markiert eine Warmfront, die sich
über die Mitte Deutschlands hinweg ostwärts erstreckt und im Tagesverlauf kaum
nach Norden vorankommt. Auch entlang dieser Luftmassengrenze sind vor allem im
Bergland konvektive Umlagerungen nicht ausgeschlossen, allerdings sind Hinweise
darauf modellseitig wenig bis gar nicht vorhanden. Sollte es dennoch zur Auslöse
reichen, ist natürlich auch dort mit Starkregen und Hagel zu rechnen.
Die Nordhälfte befindet sich im Einflussbereich deutlich stabilerer Luftmassen.
Mit der leichten Nordverlagerung der Divergenzachse des Hochs dreht der Wind von
Süden her - mit Ausnahme Schleswig-Holsteins und des Nordostens - mehr auf Nord
bis Ost und die aktuell bodennah teils mit hochnebelartiger Bewölkung in den
Nordwesten eingedrungene Nordseeluft wird durch eine trockenere kontinentale
Luftmasse ersetzt. Somit setzt sich dort bis zum Nachmittag vielerorts bei nur
flachen Quellwolken die Sonne durch und es bleibt trocken.
Die Temperatur in 850 hPa steigt auf Werte zwischen 10 Grad auf Rügen und 18
Grad im Breisgau. Somit liegen die Höchstwerte im Norden zwischen 20 und 25
Grad, in der Mitte und im Süden zwischen 25 und 32 Grad, wobei im Südwesten die
Wärmebelastung wieder steigt.

In der Nacht zum Mittwoch verlagert sich der Höhenrücken mit seiner Achse
allmählich in die Westhälfte Deutschlands. Damit kommen die Warmfront und auch
die instabile Luftmasse ein wenig weiter nordwärts voran, im Bodenfeld erstreckt
sich die Hochdruckzone Mittwochfrüh von der Norwegischen See über
Südskandinavien und Polen bis zur Ukraine. Mit zunehmender
mitteltroposphärischer WLA, die den Rücken überläuft, ziehen etwas dichtere hohe
und mittelhohe Wolkenfelder in den Westen und Nordwesten des Landes, es bleibt
aber trocken. Auch die Gewitter im Süden bzw. im Südwesten klingen im Laufe der
ersten Nachthälfte allmählich ab. Danach steht dann eine warntechnisch
weitgehend ruhige Nacht ins Haus.


Mittwoch... schwenkt der Höhenrücken nur wenig weiter nach Osten und erstreckt
sich am Abend von Süddeutschland nordwestwärts über die Nordsee hinweg bis zum
Nordmeer. Zum Abend hin, vor allem aber in der Nacht zum Donnerstag geraten der
Westen und Nordwesten des Landes somit zunehmend auf die Vorderseite des
Ostatlantiktroges, auf dessen Vorderseite sich ein kurzwelliger Anteil bis zum
Tagesende zum Ostausgang des Ärmelkanals verlagert. Somit verstärken sich die
zunächst hauptsächlich durch WLA generierten Hebungsprozesse über
Nordwestdeutschlands abends - unterstützt durch zunehmende PVA - deutlich.
Im Bodenfeld kommt die Warmfront ein wenig weiter nach Norden voran und
erstreckt sich abends in etwa von der Deutschen Bucht bis zum Oderbruch. Südlich
davon kann sich aufgrund der recht starken Deckelung im Warmsektor in der
Grundschicht noch mehr Feuchte ansammeln, so dass die Instabilitätsparameter
weiter steigen. ICON-EU, aber auch das WRF 4 km und COSMO-DE simulieren die
höchste ML-Cape am späten Nachmittag im Bereich der Feuchtekonvergenz entlang
der Warmfront über Nordwestdeutschland mit Werten über 2000 J/kg bei PPW-Werten
um oder gar knapp über 35 mm. Zudem nimmt dort nach Durchschwenken der Keilachse
auch die Scherung allmählich zu, wobei die hochreichende Scherung kaum die 15
m/s überschreiten sollte. Die 0 bis 1 km-Scherung steigt allerdings - bedingt
durch die Rechtsdrehung des Windes ("veering") von Südsüdost auf Südwest in der
Grundschicht - bis zum Abend gebietsweise auf über 10 m/s. Somit sind viele
Zutaten für eine Schwergewitterlage gegeben.
Woran es zunächst mal wieder mangelt, ist ein Trigger. Die starke Deckelung der
Luftmasse dürfte über den Großteil des Tages hinweg zunächst konvektive
Umlagerungen verhindern, selbst im Bergland geben die Modelle kaum oder nur ganz
vereinzelt Hinweise darauf (mal an den Alpen, mal im westlichen Bergland, mal im
Erzgebirge). Sollte es dennoch reichen, ist selbstverständlich mit den üblichen
Begleiterscheinungen (Hagel, Starkregen), punktuell bis in den Unwetterbereich,
zu rechnen.
Erst gegen Abend, mit der verstärkt einsetzenden Hebung als Trigger, dürfte die
Gewittertätigkeit im Nordwesten/Westen verstärkt in Gang kommen. Denkbar ist das
Übergreifen eines oder mehrerer kräftiger Gewittersysteme von Benelux her. Damit
steigt dann, vor allem aufgrund der recht beeindruckenden Instabilität, das
Unwetterpotenzial deutlich an, vor allem bzgl. Starkregen (hier sind auch
extreme Unwetter denkbar) und Hagel. Aber auch die Windkomponente kommt besser
ins Spiel, Sturmböen oder schwere Sturmböen, punktuell auch mehr, nicht
ausgeschlossen.
Nahezu alle vorliegenden hochauflösenden Modelle geben entsprechende Hinweise
für den Westen und Nordwesten ab dem späten Nachmittag bzw. Abend. COSMO-DE-EPS
zeigt die höchsten Wahrscheinlichkeiten für Starkregten bis in den
Unwetterbereich vom Niederrhein bis ins Weser-Ems-Gebiet für den Zeitraum 18 bis
00 UTC.
Bis dahin steht aber ein recht sonniger Tag ins Haus, lediglich über den Westen
und Norden ziehen zeitweise schon etwas dichtere Wolkenfelder. Die Advektion
sehr warmer bis heißer subtropischer Luftmassen und somit die Wärmebelastung
verstärken sich weiter, die Temperatur in 850 hPa steigt auf Werte um 20 Grad im
Südwesten und 14 Grad im Nordosten. Entsprechend werden Höchstwerte zwischen 24
und 30 Grad im Norden - an der Ostsee bei auflandigem Wind etwas kühler - und 29
bis 35 Grad im Süden bzw. in der Mitte erreicht.

In der Nacht zum Donnerstag überquert der Höhenrücken unter Amplitudenverlust
die Osthälfte Deutschlands, der folgende flache Kurzwellentrog greift auf
Nordwestdeutschland über, ein weiterer kurzwelliger Anteil erreicht in der Früh
Benelux.
Im Bodenfeld überquert die Warmfront den Nordosten des Landes, eine nachfolgende
wellende Kaltfront hängt weit über dem westlichen Mitteleuropa zurück, so dass
sich ganz Deutschland im Warmsektor im Einflussbereich der instabilen Luftmasse
befindet.
Vor allem über dem Norden und Osten Deutschlands - bis in die mittleren
Landesteile reichend - verstärken sich die dynamischen Hebungsantriebe von West
nach Ost noch weiter, auch die Scherung nimmt noch etwas zu. Somit dauert die
Gewittertätigkeit die Nacht über hinweg weiter an, wobei sich die Hauptaktivität
allmählich nach Osten verlagert, während die Gewitter im Nordwesten wieder
nachlassen. Nach wie vor ist mit Begleiterscheinungen bis in den Unwetterbereich
zu rechnen, zunächst vor allem bzgl. Hagels und Starkregens, vereinzelt kann es
auch schwere Sturm- bis orkanartige Böen geben. Später spielt vor allem das
Kriterium Starkregen noch eine Rolle.
Im Süden und Südosten verläuft die Nacht im Großen und Ganzen noch relativ
ruhig, wobei es auch dort - vor allem im Bergland - vereinzelt zur Auslöse
reichen kann. Mit Annäherung des nächsten Kurzwellentroges kann in den
Frühstunden eventuell auch im Südwesten die Gewittertätigkeit wieder etwas
aufleben - allerdings in einer etwas gemäßigteren Luftmasse, so dass dort das
Unwetterpotenzial eher als gering einzuschätzen ist.
Unangenehm, was die Luftmasse angeht, dürfte die Nacht vor allem in den Regionen
verlaufen, die nicht von Gewittern betroffen sein werden. Vor allem in den
Ballungszentren sinkt die Temperatur dann kaum unter 20 Grad.

Donnerstag... kommt der Höhenrücken kaum mehr nach Osten voran und erreicht mit
seiner Achse erst am Abend den Westen Polens. Somit befindet sich der Großteil
des Vorhersagegebietes auf der Vorderseite des umfangreichen westeuropäischen
Langwellentroges mit Drehzentrum nordwestlich von Irland, wobei ein kurzwelliger
Anteil im Tagesverlauf von Benelux über die Mitte Deutschlands hinweg bis zum
späteren Abend in den Nordosten zieht. Vor allem in den mittleren Landesteilen
und im Norden/Nordosten ist somit nach wie vor dynamische Hebung auszumachen.
Im Bodenfeld verbleibt der Großteil des Landes im Warmsektor im Einflussbereich
instabil geschichteter Luftmassen, die Kaltfront erreicht am Nachmittag den
Westen Deutschlands. Mit Durchzug der nächtlichen Gewittersysteme wird die
instabilste Luftmasse allerdings weit nach Nordosten abgedrängt, ICON-EU
simuliert lediglich im Nordosten noch eine ML-Cape von etwa 1000 J/kg oder etwas
mehr.
Somit ist vor allem in den Regionen, die sich im Einflussbereich der stärksten
Hebungsprozesse befinden, also über die Mitte des Landes hinweg bis in den
Norden/Nordosten mit weiteren Gewittern zu rechnen, die nach wie vor von
Starkregen und Hagel begleitet werden. Gebietsweise kann es dort auch längere
Zeit schauerartig verstärkt regnen, so dass eventuell auch das 3- bzw.
6-stündige Starkregenkriterium zum Tragen kommt. Das höchste Unwetterpotenzial
besteht dabei noch im Osten bzw. Nordosten, vor allem auch aufgrund der hohen
ppw-Werte von über 35 mm.
In der Westhälfte und wohl auch im Süden (außer eventuell in Südostbayern)
gestaltet sich der Wetterablauf wohl etwas entspannter. Auch dort kann es - vor
allem im Vorfeld der sich nähernden Kaltfront - im Tagesverlauf Schauer und
Gewitter geben, allerdings wohl hauptsächlich mit Begleiterscheinungen im
markanten Bereich.
Insgesamt wird die sehr warme bis heiße Subtropikluft von Westen her zunehmend
durch mäßig warme bis warme Meeresluft ersetzt. Die Temperatur in 850 hPa sinkt
bis zum Abend auf 11 Grad im Westen und 14 Grad im Südosten. Bei oft bewölktem
Himmel - die Sonne scheint wohl am ehesten noch im Südosten - erreichen die
Höchsttemperaturen, je nach Sonne, Werte zwischen 21 und 27 Grad, im Südosten
eventuell noch etwas darüber.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumige Wetterentwicklung simulieren alle vorliegenden Modelle ähnlich.
Im Detail ergeben sich natürlich Unterschiede bzgl. der Verteilung und
Intensität der konvektiven Niederschläge. Im Großen und Ganzen fahren die
Modelle aber eine einigermaßen einheitliche Linie. Die "Hotspots" der
Gewittertätigkeit dürften sich ab Mittwochabend im Nordwesten, nachts dann im
gesamten Norden und am Donnerstag noch im Nordosten befinden. Somit macht die
Ausgabe einer Vorabinformation, spätestens nach der morgigen Frühkonferenz,
durchaus Sinn.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff