DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

27-06-2017 09:00
SXEU31 DWAV 270800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 27.06.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
T M
Heute im Westen und Süden, morgen im Osten, Nordosten und zum Teil in der Mitte
Gewitter, dabei Unwettergefahr durch heftigen Starkregen und größeren Hagel.
Morgen Höhepunkt der Gewitterlage. Am Donnerstag im Süden, danach eher im Osten
Unwettergefahr durch ergiebigen und zum Teil schauerartig verstärkten
Dauerregen.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... setzt sich an der Vorderseite des vom nahen Ostatlantik zur
Iberischen Halbinsel reichenden Troges über dem gesamten Vorhersagegebiet eine
südwestliche, leicht mäandrierende Strömung durch. Mit dieser wird feuchtwarme
und labil geschichtete Luft aus dem westlichen Mittelmeerraum herangeführt.
Großskalig ist die Strömung noch als antizyklonal einzustufen; allerdings zeigen
sich niederfrequente zyklonale Strukturen, die entsprechend Hebung generieren.
Mit dieser Strömung dringt labil geschichtete Luft bis in die mittleren Gebiete
vor. CAPE steigt auf 500 bis 1000, im Südwesten und Süden bis etwa 1500 J/kg,
der Gehalt an niederschlagbarem Wasser auf 35 bis 40 mm. Die Voraussetzungen für
hochreichende Konvektion bis hin zu Schwergewittern wären somit gegeben, wobei
Unwettergefahr im wesentlichen durch heftigen Starkregen, im Südwesten und Süden
zusätzlich durch größeren Hagel besteht. Allerdings ist dort, wo CAPE am
höchsten ist, auch das Kondensationsniveau sehr hoch und liegt meist oberhalb
von 800 hPa. Zudem ist dort auch die Scherung am schwächsten ausgeprägt, was
nicht unbedingt für organisiertere Strukturen hochreichender Konvektion spricht.
Eine Ausnahme stellen vielleicht Teile der westlichen Mittelgebirge und des
Rheinlandes dar, wo vor allem die niedertroposphärische Scherung deutlich
zunimmt. Allerdings ist dort CAPE bei weitem nicht so hoch wie im Süden.
Fraglich ist auch, inwieweit die Einstrahlung überhaupt eine Erwärmung bis in
den Bereich der Auslösetemperatur zulässt. Aus der Gewittertätigkeit der
vergangenen Nacht ist noch viel Restbewölkung übriggeblieben, die zusehends auch
auf die mittleren Regionen Deutschlands übergreift. Dort sowie in weiten Teilen
Süddeutschlands dürfte ohnehin mehrschichtige Bewölkung dominieren, was durch
Warmluftadvektion gestützt wird. Wahrscheinlicher sind dagegen Auflockerungen im
äußersten Südwesten sowie in Norddeutschland, wobei sich ganz im Norden noch
schwacher antizyklonaler Einfluss hält.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen im Süden sowie ganz im Westen 25 bis 29
Grad. In den anderen Gebieten bewegen sich die Temperaturen zwischen Werten um
17 Grad (in Küstennähe) und 19 bis 24 Grad weiter landeinwärts.
In der Nacht zum Mittwoch verlagert sich das Zirkulationsmuster ein wenig nach
Osten. Mit dem Übergreifen des o.g. Troges auf die Pyrenäen steilt über
Mitteleuropa die Strömung auf. Mit dieser Strömung dringt vorderseitig
feuchtlabile Luft bis nach Norddeutschland vor. Vorderseitig verstärkt sich über
Ostfrankreich und dem Westen Deutschlands der Druckfall. Da diese Strömung nach
wie vor leicht mäandriert und auch Hebung generiert wird, können von Südwesten
her weitere Gewittercluster, die auch mit Starkregen einhergehen können, auf
Deutschland übergreifen. Am wahrscheinlichsten ist dies im Bereich der
südwestdeutschen Mittelgebirge. Da die Scherung zunimmt, kann es sich dabei
durchaus um längerlebige Strukturen handeln.

Mittwoch... weitet sich der Trog eher noch etwas nach Süden aus als dass er nach
Osten vorankommt. Das korrespondierende Bodentief erstreckt sich über nahezu
ganz Mitteleuropa (was die Einstufung der Großwetterlage als "T M"
rechtfertigt), wobei der tiefste Druck etwa über der Doggerbank zu finden ist.
Ein weiteres Tiefzentrum, das Bestandteil einer Tiefruckrinne ist, entwickelt
sich in der wärmsten und labilsten Luft über dem östlichen Mitteleuropa, wobei
diese Luftmasse im Tagesverlauf von der Kaltfront des Tiefs über den
Niederlanden in den Osten Deutschlands und später nach Polen und Tschechien
abgedrängt wird. An der Nordflanke des sich entwickelnden Tiefs verschärft sich
der Gradient, so dass an der Küste Windböen, in exponierten Küstenlagen auch
stürmische Böen auftreten können.
In der vorgelagerten Warmluft steigt im Norden und Nordosten Deutschlands der
Gehalt an niederschlagbarem Wasser bis auf 45 mm, CAPE erreicht mehr als 1500
J/kg, auch wird durch kurzwellige Keil-Trog-Strukturen etwas Hebung generiert,
so dass in diesen Gebieten die Voraussetzungen für eine Schwergewitterlage
gegeben sind. Allerdings ist die Scherung nach wie vor schwach ausgeprägt, so
dass langlebige organisiertere Strukturen wie Superzellen eher unwahrscheinlich
sind. Für Unwetter, hauptsächlich durch heftigen Starkregen, nach Nordosten und
Osten hin auch durch größeren Hagel, sollte es allerdings reichen. Etwas
geringer ist die Wahrscheinlichkeit von heftigen Gewittern wahrscheinlich nur im
Westen Deutschlands. In diese Gebiete gelangt rückseitig der Kaltfront eine eher
gemäßigte und weniger labile Luftmasse.
Auflockerungen sind im Osten und Südosten noch am wahrscheinlichsten, so dass
dort die Temperatur auf 25 bis 30 Grad steigt. Ansonsten werden 22 bis 27, im
Küstenbereich 19 bis 23 Grad erreicht.
In der Nacht zum Donnerstag überquert ein kräftigerer Sekundärtrog des über
Westeuropa liegenden Langwellentroges die Alpen. Hierdurch wird eine Zyklogenese
ausgelöst. Das sich dabei entwickelnde Tief wird bis Donnerstagfrüh auf
Vb-ähnlicher Zugbahn entlang von Neiße und Oder nach Norden gesteuert. An dessen
Nord- und Westflanke kommen länger andauernde Niederschläge in Gang, die den
Osten Deutschlands erfassen bzw. von den Alpen her auf den Süden Deutschlands
übergreifen. Wahrscheinlich werden hierbei Unwetterschwellen überschritten. Da
es sich bei diesem Niederschlagsereignis um schauerartig verstärkten Regne mit
Unterbrechungen handelt, wäre warntechnisch eher auf Starkregen als auf
Dauerregen zu orientieren.
An der Nordflanke dieses Tiefs bleibt ein kräftiger Gradient bestehen, so dass
an den Küsten weiterhin Wind- und auch stürmische Böen aus östlichen Richtungen
zu erwarten sind.


Donnerstag... bildet sich das allmählich zur Oderbucht ziehende Bodentief
zusehends auch in der mittleren Troposphäre ab, was zu einer Ausweitung des
westeuropäischen Troges nach Mitteleuropa führt. Vielmehr liegen dann weite
Teile Westeuropas und nahezu ganz Mitteleuropa unter einem ausgedehnten
Tiefdruckkomplex. Die wärmste und labilste Luft ist mittlerweile weit nach Osten
abgedrängt und wird durch dieses Tiefdrucksystem an dessen Nordflanke
"zurückgeholt". Dies geht im Norden und Osten Deutschlands mit länger
andauernden und zum Teil schauerartig verstärkten Niederschlägen einher.
Aufgrund des Charakters der einbezogenen Luftmassen können Gewitter eingelagert
sein. Sehr wahrscheinlich werden in einigen Regionen die Schwellenwerte für
ergiebigen Dauerregen, d.h. Unwetter, überschritten. Am ehesten kommen hierfür
die Staulagen der östlichen Mittelgebirge in Frage. Auch in dieser Situation
wären die Warnschwellen für Starkregen (am ehesten 6-std.9 anzusetzen.
An den Flanken des Tiefs treten Windböen (im Küstenbereich aus Ost bis Nordost,
im östlichen Mittelgebirgsraum aus Südwest) auf. In exponierten Lagen kann es
auch zu stürmischen Böen kommen.
Im Südwesten und im Süden wird durch einen weiteren Sekundärtrog Hebung
induziert, so dass in der dort eingeflossenen gemäßigteren, aber ebenfalls noch
labilen Luftmasse Schauer und Gewitter ausgelöst werden können. Aufgrund des
deutlich geringeren Gehalts an niederschlagbarem Wasser, der in diesen Gebieten
nur noch bei 20 bis 25 mm liegt, sind Unwetter durch heftigen Starkregen nur
noch wenig wahrscheinlich (aber nicht ganz auszuschließen).
Dazwischen wird es einen breiten Bereich geben, der sich etwa vom Westen bis
nach Mittelfranken erstreckt und wo sich kompensierendes Absinken durchsetzt,
was hochreichende Konvektion weniger wahrscheinlich werden lässt.
Am Nachmittag bewegen sich aufgrund der meist starken bis geschlossenen
Bewölkung die Temperaturen zwischen 17 und 23 Grad. Nur ganz im Osten sind noch
einmal mit Hilfe der Sonne bis 25 Grad möglich.
In der Nacht zum Freitag schnürt sich der Trog ab und nimmt eine dipolartige
Struktur an. Aktionszentrum ist nach wie vor das Bodentief über der Oderbucht.
An dessen West- und Südflanke sind weitere schauerartig verstärkte Niederschläge
zu erwarten, die aus der "herumgeholten" Warmluft resultieren. Dabei besteht vor
allem im Nordosten Deutschlands Unwettergefahr durch ergiebigen Dauerregen.
An den Flanken des Tiefs bleibt es wie bereits am Tage zuvor windig;
gebietsweise treten weiterhin Windböen bis Bft 7 auf.
Im Westen und in weiten Teilen Süddeutschlands abseits der Alpen setzt
Wetterberuhigung ein, wodurch die Niederschläge nachlassen und die Wolken
auflockern können.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle zeigen eine weitgehend ähnliche Entwicklung. Anhand der
synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten Unterschiede
ableiten. Auch hinsichtlich der Konsistenz zeigen sich keine Auffälligkeiten. An
der oben beschriebenen Tiefentwicklung sollte daher kein Zweifel bestehen.
Auch hinsichtlich der unwetterträchtigen Starkregenlage ab der Nacht zum
Donnerstag haben sich die Modelle weitgehend angeglichen. Sehr wahrscheinlich
wird sich aus den Alpen heraus ein erstes verclustertes, mit Gewittern
durchsetztes System nach Süddeutschland verlagern. ICON lässt zeitgleich im
Nordosten Deutschlands Niederschläge, die durchaus die Unwetterschwellen
überschreiten können, aufkommen. Am Donnerstag selbst dürfte dann der östliche
Mittelgebirgsraum und die Gebiete weiter nach Nordosten hin bis etwa zur unteren
Oder betroffen sein, wo ebenfalls sehr wahrscheinlich die Schwellenwerte für
Unwetter in Bezug auf Starkregen mühelos überschritten werden. In der Nacht zum
Freitag verschiebt sich mit der leichten Nordostverlagerung des Bodentiefs das
Niederschlagsgeschehen in den Nordosten Deutschlands, wo nach wie vor
unwetterartige Starkniederschläge auftreten können.
Bemerkenswert ist hier der neueste Lauf von EZMW, das in einem Streifen von der
Unterelbe über das Havelland, den westlichen Berliner Raum bis zur Leipziger
Tieflandsbucht 24-std. Niederschläge zwischen 50 und 100, großflächig auch mehr
als 100 bis etwa 150 mm Niederschlag zeigt.
Probabilistische Verfahren stützen die oben getroffenen Aussagen. COSMO-LEPS und
das EPS des EZMW zeigen hier weitgehend ähnliche Strukturen. Demnach wären
innerhalb von 24 Stunden kleinräumig und eng begrenzt 70 bis 90 mm Niederschlag
vorstellbar, wobei sich, wie weiter oben beschrieben, der Schwerpunkt der
Niederschläge verschiebt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann