DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

16-05-2017 21:00
SXEU31 DWAV 161800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 16.05.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Zunächst keine markanten Wettererscheinungen. Am Mittwoch im äußersten Norden
vereinzelte Gewitter mit geringer Wahrscheinlichkeit aber nicht ganz
ausgeschlossen.
Ab Donnerstag von Westen zyklonaler mit zunehmender Gewittergefahr, teils bis in
den Unwetterbereich.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland unter einem breiten Höhenrücken, der sich
von NW-Afrika bis hoch nach Fennoskandien erstreckt. Die korrespondierende
Bodenhochdruckzone reicht ebenfalls über tausende von Kilometern vom westlichen
Mittelmeer bis in den Nordwesten Russlands. Entsprechend ist die
Gute-Nacht-Geschichte bei uns relativ schnell erzählt. In den meisten Gebieten
wird die Nacht sternenklar, nur hier und da bildet sich im Süden Nebel. Die
Schwachstelle im System bleibt der N und NO, wo die aktuell noch wirkende WLA
und folglich auch der Regen mit Durchschwenken einer Warmfront in Richtung
Ostsee zwar nachlassen, die Bewölkung aber vielerorts geschlossen bleibt.

Mittwoch ... schwenkt der Höhenrücken langsam südostwärts, wodurch Deutschland
peu a peu auf die Vorderseite eines veritablen LW-Troges gelangt, der sich
mittlerweile über dem nahen Ostatlantik formiert hat und ebenfalls geringfügig
Boden nach Osten hin gutmacht. Ausgehend von einem Tief dicht bei Island
verläuft eine schleifende Kaltfront über Skandinavien, die Nordsee und die
Biscaya hinweg bis ins Seegebiet südlich der Azoren. Sie markiert den hinteren
Rand einer Tiefdruckrinne, die sich morgen Mittag am deutlichsten über der
Iberischen Halbinsel Frankreich und den Benelux-Staaten abbildet. In der Rinne
soll sich über Westfrankreich ein kleines, vor allem diabatisch getriggertes
Tief entwickeln, das bis zur Nacht unter Verstärkung zur Nordsee zieht und damit
auch die Kaltfront ein Stück ostwärts vorankommen lässt.
Wie auch immer, trotz der sich anbahnenden Umstellung der Großwetterlage ist der
Mittwoch bei uns noch weitgehend antizyklonal und somit störungsfrei aufgestellt
- sieht man einmal davon ab, dass im äußersten Norden noch immer leichte WLA
wirksam ist. Die Folge dort sind weiterhin dichte Wolken, aber nur noch wenig
Regen und im Laufe des Tages die Chance auf Auflockerungen von Süden her. Da die
Luftmasse deutlich angefeuchtet (PPW über 30 mm, spez. Feuchte bis 11-12 g/kg)
und auch etwas labilisiert wird (siehe LapseRates), wird im äußersten Norden
etwas ML-CAPE generiert, laut ICON_Nest lokal sogar bis nahe 700 J/kg. Somit
liegt ein durchaus konvektionsfreudiger Treibstoff vor, der allerdings gezündet
werden müsste, damit es am Ende auch wirklich knallt. Dynamische Impulse sind
nicht zu erwarten (das WLA-induzierte Omega dürfte zu träge sein), die
Auslösetemperatur mit 25-28°C äußerst ambitioniert, so dass die "Hoffnungen" auf
konfluente Strukturen im unteren Bereich der Troposphäre ruhen, die von der
Numerik derzeit aber nur bedingt angeboten werden. Trotzdem, z.B. GFS, WRF_GFS
oder auch WRF_ICON lassen vor allem in SH ein paar Gewitter entstehen (GFS
allerdings mit dem systematischen Fehler zu hoher Taupunkte), während ICON davon
nichts wissen will.
Ansonsten scheint verbreitet die Sonne, wobei die Temperatur einen weiteren
Sprung nach oben macht. Bis zum späten Abend liegt ganz Deutschland unter einer
Warmluftblase mit 850-hPa-Temperaturen zwischen 10 und 14°C, im äußersten Süden
sogar bis zu 15°C. Entsprechend steigt auch die 2m-Temperatur weiter an auf
sommerliche 24 bis 29°C, am und um den Rhein herum örtlich vielleicht sogar
30°C, im äußersten N und NO sowie unmittelbar an den mit 8 bis 12°C noch
ziemlich kalten Meeren etwas darunter.

In der Nacht zum Donnerstag rückt der Höhentrog noch etwas dichter an den
Vorhersageraum heran, wodurch die süd-südwestliche Höhenströmung geringfügig
zunimmt. Eine mögliche wirksame dynamische Hebungskomponente ist daraus
allerdings noch nicht abzuleiten, zumal trogvorderseitig sogar leichte KLA
diagnostiziert wird. Auf der anderen Seite greift aber die Tiefdruckrinne mit
konfluenten Windstrukturen von Frankreich und Benelux her auf unseren Westen
über bei gleichzeitiger Anfeuchtung und Labilisierung der Luftmasse. Kurzum,
auch wenn sich die Modelle weiterhin in Zurückhaltung üben, ist es nicht ganz
ausgeschlossen, dass von Ostfrankreich und Belgien her einzelne nächtliche
Gewitterzellen in den W und NW driften und/oder auch erste Gewitter von der
Schweiz her auf Südbaden oder das Allgäu übergreifen.
Abgesehen davon bleibt die Nacht ruhig und trocken mit vielfach aufgelockerter
Bewölkung und ein paar Nebelfeldern im Südosten des Landes.

Donnerstag ... verschiebt sich das gesamte Trog-Rücken-Muster etwas nach Osten,
wobei beide Potenzialgebilde ihre Amplitude leicht vergrößern, ihre Wellenlänge
hingegen verkleinern. Fakt ist, dass wir weiterhin trogvorderseitig unter einer
nur schwachen bis mäßigen süd-südwestlichen Höhenströmung verbleiben, mit der
zwar besonders im Westen kurzwellige Troganteile nordwärts gesteuert werden
können, das ganz große dynamische Potpourri aber weiterhin ausbleibt.
Essenzieller ist die Tatsache, dass das Bodentief von der Nordsee gen
Südnorwegen zieht, damit die Rinne (sehr wahrscheinlich mit eingelagerter
Konvergenz) weiter nach Osten vorankommt und auch die wellende Kaltfront
allmählich auf den Vorhersageraum übergreift (zumindest im NW und W, während sie
nach Süden zurückhängt). Gleichzeitig kommt es zu einer weiteren Feuchtezunahme
(PPW auf über 30, teils sogar über 35 mm), wobei das Maximum zwischen Konvergenz
und Kaltfront zu finden ist. Im Gegensatz dazu halten sich die prognostizierten
Labilitätswerte (siehe LapseRates) in Grenzen und auch beim CAPE kommt ICON
nicht wirklich aus sich heraus. So wird die 500-J/kg-Marke - wahrlich kein Wert,
bei dem die dicksten Alarmglocken schrillen - gerade mal sporadisch im Süden
überschritten. Und last but not least bleiben auch die Scherungswerte gering
(LLS unter 10 m/s, DLS meist unter 20 m/s), was die Wahrscheinlichkeit für
organisierte Konvektion respektive langlebige Zellen eher gering hält, wenn auch
nicht unmöglich macht.
Unter dem Strich ist ein Szenario denkbar, dass es am Vormittag in den
westlichen Landesteilen zu teils schauerartigen und mit einzelnen Gewittern
durchsetzen Regenfällen kommt. Im großen Vorfeld bleibt es zunächst relativ
ruhig, vielleicht mit ersten einzelnen Zellen über dem südlichen Bergland
(Schwarzwald, Alb, westlicher Alpenrand). Später kommt es dann mit diabatischer
(Tagesgang) und z.T. auch orografischer Unterstützung im Bereich der Konvergenz
zu verstärkter Gewitterbildung, die nur langsam nord-nordostwärt ziehen. Wie
weit diese dann nach Osten in die Warmluft ausgreifen und wo genau die
Konvergenz und somit die Hauptgewitterzone liegen, ist freilich noch offen. Als
Begleiterscheinungen sind Starkregen, Hagel und Sturmböen möglich, wobei die
Parameter Starkregen (trotz leichter Verlagerung der Zellen) und Hagel (weniger
vielleicht durch die Korngröße als vielmehr durch größere Hagelansammlungen)
durchaus in den Unwetterbereich gehen können.
Im W und NW setzt mit Kaltfrontpassage eine Stabilisierung ein, was die
Gewitterwahrscheinlichkeit auf ein Minimum eindampft. Dafür regnet es auf der
kalten Seite der schleifenden bzw. wellenden Front (Anacharakter) skalig und
nicht-gewittrig. Das Temperaturmaximum verschiebt sich in die Osthälfte, wo es
für Höchstwerte von 24 bis 28°C, lokal nahe 30°C reicht. Sonst stehen 20 bis
25°C auf der Karte, bei längerem Regen am Nachmittag sowie an der Nordsee mit
Winddrehung auf W bis NW auch darunter.

In der Nacht zum Freitag schwenkt der Höhentrog in seinem Südteil langsam über
Frankreich hinweg ostwärts. Auf seiner Vorderseite gewinnt die Dynamik etwas an
Fahrt, außerdem wird Druckfall generiert, der an der Kaltfront eine weitere
Welle entstehen lässt. Möglicherweise erwächst daraus auch ein kleines Tief, das
in Richtung Norden zieht. Tatsache ist, dass die Numerik Hinweise auf stärkere,
teils durch Gewitter induzierte Regenfälle im Südwesten liefert (BW), die mit
der beschriebenen Entwicklung erklärbar wären. Darüber hinaus sind auf der
warmen Seite der Front weitere Gewitter möglich, auch wenn die Unwettergefahr
tagesgangbedingt abnimmt.

Freitag ... verlagert sich der Trog in seinem Südteil noch etwas nach NO, so
dass das gesamte Gebilde eine negative, von NW nach SO gerichtete Achsstellung
einnimmt. Die Tiefdruckrinne wird durch weiteren Druckfall über dem
Vorhersageraum regeneriert, schwenkt dabei aber nebst eingelagerter Kaltfront
sutsche piano und nicht allzu schnell ostwärts. Dahinter beginnt der Luftdruck
der postfrontalen KLA folgend zu steigen, was sich in Form eines von Frankreich
bis in den süddeutschen Raum vorstoßenden Hochkeil widerspiegelt. Im Süden wird
von einigen hochauflösenden Modellen sogar eine Druckwelle gezeigt, die den von
SO auf westliche Richtungen drehenden Wind vorübergehend stark bis stürmisch
auffrischen lassen könnte.
Ansonsten kommt es an und vor der weiterhin wellenden Front zu weiteren
Gewittern, teils als Unwetter (vor allem durch Starkregen). Ob die Gewitter
tatsächlich bis ganz in den Osten vorankommen (Oder-Neiße-Gegend), ist noch
unsicher. Im Westen, auf der stabilen Seite, ist die Gewittergefahr gering.
Während es im Osten noch mal bis zu 28°C warm wird, reicht es im westlichen
Mittelgebirgsraum z.T. nicht mal für 15°C.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die Entwicklung mit der sich anbahnenden Umstellung der Wetterlage scheint
gesichert. Für die Details - beginnend ab der Nacht zum Donnerstag - gilt diese
Aussage nicht. Das geschilderte Szenario beruht auf konzeptionellen
Überlegungen, die von der Natur aber mal mehr, mal weniger konterkariert werden
können. Vielleicht bringen die nächsten Modellläufe, vor allem wenn
COSMO-DE-(EPS) mehr und mehr in den relevanten Vorhersagebereich hineingeht,
genauere Erkenntnisse.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann