DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

30-04-2017 21:00
SXEU31 DWAV 301800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 30.04.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
In der Nacht an der See weiterhin windig. Am Montag von SW her Regen, im NO noch
mal trocken, aber windig.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland im noch antizyklonal geprägten
Übergangsbereich zwischen einem langsam nordostwärts schwenkenden Höhenrücken
und einem Höhentief bei Irland, von dem aus sich ein Trog bis nach Frankreich
erstreckt. Das Höhentief verlagert sich bis morgen früh in den Westteil des
Ärmelkanals, während der Trog unter leichter Amplifizierung gen Westalpen
schwenkt. Die korrespondierende Tiefdruckrinne erfasst bis dahin grob gesprochen
die Südwesthälfte des Vorhersageraums, wobei sich mit orografischer
Unterstützung über Südbayern ein kleines Bodentief bildet. Eingelagert in die
Rinne ist eine Okklusion respektive Kaltfront, die in der zweiten Nachthälfte
auf den W und SW des Landes übergreift. Da es sich um eine Anafront handelt und
der zugehörige Regen im Wesentlichen auf der Rückseite fällt, beginnt es erst
relativ spät und wohl auch nur leicht zwischen Nieder- und Oberrhein zu regnen.
Im größten Teil des Landes vollzieht sich der Monatswechsel aber nicht nur
trocken, sondern auch gering bewölkt oder klar. Dabei geht die Temperatur in den
unteren einstelligen Bereich zurück, Luftfrost bleibt aber die absolute
Ausnahme. Dafür reicht es aber am Erdboden gebietsweise noch mal für leichte
Minusgrade. Im W bleibt es unter der zunehmend dichten Bewölkung vergleichsweise
mild, in einigen Innenstädten kühlt es kaum auf unter 10°C ab.
Bliebe noch der Wind, der heute aus Südosten kommend einige Radfahrer sicherlich
etwas geärgert hat. Der Gradient bleibt im N und O zwischen besagter Rinne und
einer vom Nordmeer über Südskandinavien bis zum Baltikum reichenden
Hochdruckzone scharf, trotzdem wird der Wind besonders im Binnenland durch die
nächtliche Stabilisierung schwächer. Warnwürdige Böen 7-8 Bft sind nach wie vor
an und auf der Nordsee, von Fehmarn über die Kieler bis zur Flensburger Förde
und in höheren Lagen zu erwarten. Auch einige südost-nordwest-ausgerichtete
Täler sind anfällig wie z.B. das Elbtal am Erzgebirge (Stichwort Böhmischer
Wind).

Montag ... schwenkt der Höhentrog von Frankreich her langsam nach Deutschland,
wobei seine Verlagerungsgeschwindigkeit auf Kosten einer weiteren
Amplifizierung, die letztlich in ein Abtropfen unweit der Schweiz mündet,
gebremst wird. Hinzu kommt die leicht blockierende Wirkung des sich ebenfalls
nur schleppend in Richtung Südskandinavien und Ostsee verlagernden Höhenrückens.
Entsprechend dürfen weite Teile Nord- und Ostdeutschlands von einem zumindest
bis zum Abend trockenen, vielfach sogar sonnigen oder zumindest heiteren
Maifeiertag ausgehen. Da dort der Druckgradient zwischen dem hohen Luftdruck
über Nordeuropa und der sich noch etwas nordostwärts verlagernden Rinne bzw. dem
in Richtung A/CZ ziehenden kleinen Tief aufrecht erhalten bleibt, wird das Ganze
von einem mäßigen bis frischen und böigen östlichen Wind begleitet, der in der
Spitze Stärke 7 Bft, an See und in einigen Hochlagen 8 Bft, auf dem Brocken und
dem Fichtelberg vielleicht sogar 9 Bft erreicht. Die Temperatur steigt auf 14
bis 18°C, an Küstenabschnitten mit auflandiger Windkomponente etwas darunter.
Ganz anders die Entwicklung in Richtung Süden und Westen, wo es mit Annäherung
von Trog und Rinne bzw. Front zu leichten bis mäßigen Hebungsprozessen kommt.
Die Okklusion bzw. Kaltfront weist nach wie vor Anacharakter auf, so dass die
ausgelösten Regenfälle weitgehen auf der Rückseite fallen. Wenn auch immer noch
leichte Unsicherheiten in den diversen Modellprognosen zu erkennen sind, so
erscheint ein Vorankommen des Regens bis etwa zu einer Linie
Niederrhein/Münsterland-Rhön-Passau keine ganz schlechte Lösung zu sein. Gegen
eine progressivere Ausbreitung nach NO spricht nicht nur die angesprochene
Blockierung sondern auch die Tatsache, dass mit dem östlichen Wind trockene Luft
advehiert wird, die trotz möglicherweise vorhandener Hebungsimpulse etwaigen
Niederschlag unterbindet. Akkumuliert über 12 Stunden lässt sich die
Regenintensität auf 2 bis 10 mm, im Allgäu und am Alpenrand sowie lokal (Stau)
auch in den westlichen Mittelgebirgen z.T. auf 10 bis maximal 15 mm taxieren.
Die Schneefallgrenze pendelt sich in den Alpen auf 1000 bis 1300 m ein. Möglich,
dass am späten Nachmittag/frühen Abend die Bewölkung im äußersten SW etwas
auflockert und der Regen aufhört, wobei sich in der einströmenden erwärmten
Meereskaltluft aber noch einzelne Schauer entwickeln können.
Hinter dem ostwärts ziehenden Bodentief im Süden stößt am Nachmittag und Abend
eine in der Numerik deutlich erkennbare Druckwelle nach, die den auf westliche
Richtungen drehenden Wind in Teilen des Alpenvorlands merklich auffrischen lässt
mit Spitzen 7 Bft, ganz vereinzelt vielleicht 8 Bft. Zudem ist im äußersten SO
Bayerns sogar etwas Konvektion bis hin zu einem Gewitter denkbar (Überlappung
von leichter Labilität mit einem Feuchtemaximum, konfluenten Wind und dem linken
Ausgang des Jets; siehe Konvektionsfavoriten). Die Temperatur erreicht im W und
S nur noch Maxima zwischen 10 und 15°C, Ausnahme Ostbayern, wo es noch mal etwas
wärmer wird. Bei länger andauerndem Regen sowie im Bergland stehen lediglich
8/9°C auf der Karte.

In der Nacht zum Dienstag zieht das über den Alpen abgetropfte Höhentief nach
Bayern rein. Gleichzeitig verlagert sich das o.e. Bodentief den Bayerischen bzw.
den Böhmerwald entlang in Richtung Westsachsen. Die Modelle reagieren auf diese
Entwicklung mit einer allmählichen Verlagerung der Regenfälle in die mittleren
Landesteile, z.T. auch noch ein Stück darüber hinaus. Interessant ist in diesem
Zusammenhang die Beharrlichkeit von ICON6_Nest, das nun schon in mehreren Läufen
ein signifikantes Maximum von etwa 20 bis 35 mm innert 12 h bzw. 20 bis 25 mm
binnen 6 h im nordwestlichen Bayern, schwerpunktmäßig über Mittelfranken
simuliert. Damit wären die Voraussetzungen für eine Stark- oder
Dauerregenwarnung gegeben, allerdings muss trotz der guten Konsistenz noch etwas
abgewartet werden. Zum einen sind die meisten externen Modelle defensiver, zum
anderen positionieren sie ihr Maximum etwas weiter östlich (Richtung
Oberfranken). COSMO-LEPS zeigt eine 10-20%ige Überschreitungswahrscheinlichkeit
>25mm/12h über Oberfranken, die Signale von ECMF-EPS sind nur ganz dünn. Der
westliche Wind bleibt unmittelbar an der Südseite des nordwestwärts ziehenden
Tiefs noch flott unterwegs, tendenziell lässt er im Laufe der Nacht aber
allmählich nach.
Das gilt nicht unbedingt - und damit wären wir noch kurz im Norden - für die
Küste, wo der Ostwind weiterhin recht ruppig daherkommt mit Böen 7 Bft, anfangs
vereinzelt auch noch 8 Bft (ebenso auf dem Brocken).

Dienstag ... ziehen Höhentief nebst korrespondierendem Bodentief ganz langsam
nach Norden, womit sich auch der Regen unter geringfügiger Abschwächung (es
werden 6-/12-stündig keine warnrelevanten Mengen mehr angeboten), aber andauernd
über die Mitte allmählich nach Norddeutschland verlagert. Wie weit er letztlich
vorankommt, ist immer noch unsicher. ICON und GFS sparen bis zum Abend nur noch
die deutsch-dänische Binnengrenze aus, während ECMF von 00 UTC etwas weiter
südlich bleibt. Fakt ist, dass der meiste Regen auf der Süd- bzw. Westflanke des
Höhentiefs fällt, es regnet aber auch auf der Nordseite (teilweise zeigen die
numerischen RR-Prognosen eine tangentiale, um das HT herumgeschlungene
Struktur). Gebietsweise kommen 10 bis 15 mm, punktuell nahe 20 mm binnen 12 h
zusammen, wobei der Schwerpunkt etwa vom nördlichen Bayern über Thüringen und
Westsachsen bis ins südliche Sachsen-Anhalt zu finden sein dürfte. Unter
Hinzunahme zuvor gefallener Regenmengen ist es nicht ausgeschlossen, dass in
Teilen Nordbayerns das 24-stündige Dauerregenkriterium (>30 mm) gerissen wird,
allerdings will derzeit nur ICON davon etwas wissen. In den probabilistischen
Prognosetools findet man so gut wie keine Signale. Da die mit dem Höhentief
mitgeführte Meereskaltluft leicht labil geschichtet ist, ist der Regen mitunter
schauerartig verstärkt. Gewitter hingegen sind nicht überbordend wahrscheinlich,
wenn doch, dann am ehesten im Osten, wo die Labilität noch am höchsten ist.
Im S und SW lockert die Bewölkung zeitweise auf, Richtung Alpen kann auch für
längere Zeit die Sonne scheinen. Ursache ist ein flacher Höhenkeil, der zwischen
dem HT im Norden und einem weiteren über Frankreich von SO her auf
Süddeutschland übergreift. Zwar ist die Luftmasse leicht labil geschichtet
(siehe Lapse-Rates), auf der anderen Seite aber auch ziemlich trocken (PPW um 10
mm, spez. Feuchte in der unteren Troposphäre max. bei 6 g/kg). Einzelne Schauer
sind somit nicht ausgeschlossen, sollten aber nicht allzu häufig und intensiv
auftreten.
Auf der Südflanke des sich noch verstärkenden Hochs über Nordeuropa mit Zentrum
über der Norwegischen See weht an der Küste nach wie vor ein bockiger Ostwind
mit Böen 7-8 Bft, die wahrscheinlich aber nur wenig landeinwärts ausgreifen.
Die Tageshöchsttemperatur liegt bei 8 bis 14°C, im Süden mit Sonnenunterstützung
teils bis zu 16°C.

In der Nacht zum Mittwoch zieht das HT aus dem Norden allmählich in Richtung
Niederlande, wobei es sich mehr und mehr auffüllt. Die Hebungsprozesse schwächen
sich ab, was in gleichem Maße für die im N und NW noch auftretenden Regenfälle
gilt. Dafür beginnt es nun auch wieder im SW zu regnen, was dem über Frankreich
liegenden HT geschuldet ist. Es weist eine leicht diffluente Vorderseite auf, wo
sich PVA mit etwas WLA überlappen. Wie weit sich der Regen bis in die
Frühstunden ausbreitet, ist noch nicht ganz sicher, warnrelevante Mengen stehen
12-stündig aber nicht auf der Karte.
Nicht vergessen, der Ostwind gibt sich an der Küste auch in dieser Nacht noch
die Ehre mit Böen 7-8 Bft, Tendenz an der Ostsee langsam nachlassend.

Mittwoch ... verlagert sich das HT von Ostfrankreich ganz langsam in Richtung
Schweiz. Wir verbleiben auf der Vorderseite in einer vergleichsweise flachen
Druckverteilung, in der aber über Süddeutschland ein eigenständiges Bodentief
erkennbar ist. Die Regenfälle breiten sich von SW her bis in die Mitte aus,
wobei sie mit dem Tagesgang zunehmend schauerartigen Charakter annehmen bzw.
schauerartig verstärkt werden. Besonders im Süden und in der Mitte wird etwas
CAPE aufgebaut (100 bis 250 J/kg), so dass auch einzelne Gewitter mit Starkregen
dabei sein können.
Im Norden sind zwar auch ein paar Schauer möglich, teils bleibt es in der aus
dem Nordmeerhoch ausfließenden, relativ kühlen Luftmasse dort aber trocken. An
der See muss weiterhin mit Böen 7 Bft aus östlichen Richtungen gerechnet werden.



Modellvergleich und -einschätzung
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Alle Modelle hetzen uns gnadenlos die genannten Höhentiefs auf den Buckel, da
wird keine Ausnahme gemacht. Dass dabei unterschiedliche Aussagen über die
resultierenden Niederschläge herauskommen (räumliche Exposition, Intensität),
ist normal. Die entscheidende Frage bleibt zunächst jedenfalls noch offen,
sprich, ob zum Dienstag hin in Teilen Bayerns (und vielleicht auch Thüringens)
eine Stark- oder Dauerregenwarnung benötigt wird.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann