DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

16-04-2017 09:00
SXEU31 DWAV 160800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 16.04.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Nz (Nord zyklonal)

Unbeständig und kühl, teils winterlich mit Schnee oder Graupelgewittern. An den
Alpen Dauerregen, später Dauerschneefall. In den Nächten zunehmende Frostgefahr.


Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... ist nicht nur Ostern, nein, Deutschland befindet sich auch unter
einer west-nordwestlichen Höhenströmung, die zwischen einem breiten Rücken über
dem Ostatlantik und einem Trog knapp östlich von uns auf Mitteleuropa zusteuert.
Die Tatsache, dass der Trog östlich unseres Landes positioniert ist, lässt sich
in erster Näherung vermuten, dass wir damit nicht mehr viel zu tun bekommen -
befinden wir uns klimatologisch doch in der Westwindzone der mittleren Breiten.
Schaut man jedoch etwas genauer hin, sprich, betrachtet man die numerischen
Prognosen, so zeigt sich unweigerlich, dass die Vermutung grundfalsch ist.
Angefacht von kurzwelligen Anteilen, die wiederholt in die Rückseite des Troges
laufen, wird dieser nicht nur deutlich amplifiziert, sondern wird zudem
retrograd, so dass auch wir - quasi als naturelles Ostergeschenk - in den Genuss
dieses atmosphärischen Musterexemplars gelangen. Dabei geht aber nicht nur das
Potenzial über dem Vorhersageraum sukzessive nach unten, auch die Temperatur -
vom Ausgangsniveau schon nicht besonders hoch angesiedelt - tendiert
unweigerlich nach unten. Heute trifft das zunächst mal schwerpunktmäßig den N
und O, wo die 500-hPa-Temperatur auf -30 bis -35°C zurückgeht bei einer
deutschlandweiten Verteilung der 850-hPa-Temperatur zwischen -1°C im äußersten
SW und bis zu -7°C im äußersten NO.
Oder in anderen Worten, besonders im N und O ist die einfließende maritime
Polarluft hochreichend labil geschichtet, was bereits jetzt, angefacht durch den
Tagesgang später aber in noch stärkerem Maße in eine rege konvektive Aktivität
mündet, die sich in Form von Regen- und Graupelschauern (im höheren Bergland
mischt sich auch schon mal Schnee darunter) sowie kurzer Graupelgewitter
widerspiegelt. Dabei besteht bei einem ansonsten nur mäßig ausgeprägten
Gradienten insbesondere in einem von Sachsen sich nordwestwärts in Richtung
Nordsee erstreckenden Korridor die Gefahr steifer Böen 7 Bft, in Einzelfällen
sowie in exponierten Kamm- und Gipfellagen sowieso auch stürmischen Böen 8 Bft,
Brocken und Fichtelberg bis 9 Bft.
Ein, zwei Gedanken seien an dieser Stelle, weil noch nicht geschehen, freilich
noch der Bodendruckverteilung gewidmet, die im Wesentlichen von einem
quasistationären Hoch über der der Biscaya bzw. dem nahen Ostatlantik und einer
vom östlichen Mitteleuropa bis hoch zur Norwegischen See gerichteten
Tiefdruckrinne geprägt ist. Dazwischen gelangt, wie bereits erwähnt maritime
Polarluft, in den Vorhersageraum, während die ganz dicke, über N- und NO-Europa
lagernde Kaltluft (arktische Polarluft) durch die sich leicht retrograd
verhaltene Rinne zunächst noch geblockt wird (in der neuesten Analyse von 03 UTC
wurde die Okklusion über der Ostsee in eine Kaltfront umgewandelt, um den
Unterschied zwischen der feuchteren Polarluft (Nordseeluft) südwestlich davon
von der kontinentaler geprägten Kaltluft nordöstlich davon zu markieren). Wie
auch immer, nicht nur der N und O kommt in den "Genuss" von Schauern, auch die
übrigen Landesteile dürfen sich über schauerartigen Niederschlag freuen, der in
den Kammlagen der Mittelgebirge als Schnee oder mit Schnee vermischt fallen
kann. An den Alpen stellt sich staubedingt eine Dauerregenlage wechselnder
Intensität ein, die mit einer Langzeitwarnung bis Dienstagnacht erschlagen wurde
(Mengen von 50 bis 70 mm, zwischen Allgäu und Mangfallgebirge lokal 90 mm ab
Samstagabend). Die Schneefallgrenze liegt dabei zunächst um oder etwas über 1000
m, wo einiges an Neuschnee zusammenkommen kann. Fast schon müßig zu erwähnen,
dass die Temperatur alles andere als frühlingshaft daherkommt, mehr als 6 bis
13°C (die tiefsten Werte im NO, im Bergland sowie bei Dauerregen im S) sind
heute Nachmittag nicht zu bekommen.

Am Abend und in der Nacht zum Ostermontag fächert der ohnehin nicht besonders
üppig ausgeprägte Gradient weiter auf, so dass windmäßig in Deutschland nicht
mehr viel geht. Dazu trägt auch eine flache stabile Welle bei, die von der
südwestlichen Nordsee bzw. Belgien kommend auf den SW zusteuert und dort sowie
in Teilen des Westens eine Portion skaligen Regens liefert. Die Schneefallgrenze
liegt dort bei rund 1000 m, was weiterhin auch für die Alpen gilt (vor allem
nach Osten hin kann es dort auch schon etwas weiter runter gehen), wo es nach
wie vor anstaut.
Im N und O sowie in Teilen der Mitte kommt es im Bereich der leicht retrograden
Tiefdruckrinne und fortschreitender Austrogung trotz ungünstiger Tageszeit zu
weiteren Regen- und Graupelschauern, die im NO bis ganz runter als Nassschnee
fallen oder mit Schnee vermischt sein können. Ob es dabei zu Glätte durch Matsch
kommen kann, hängt nicht zuletzt von der Intensität und Andauer des Schauers ab.
Ausgeschlossen werden kann dabei aber gar nichts, wie man bereits heute Morgen
punktuell im NO (z.B. in Neubrandenburg) eindrucksvoll erfahren konnte. Gewarnt
werden wird wohl aber erst sehr kurzfristig, wenn wirklich nötig. In den
östlichen und nördlichen Mittelgebirgen muss etwa oberhalb 600 m ernsthaft über
Schnee und auch leichten Frost mit Glätte nachgedacht werden, einige Zentimeter
Neuschnee können an der einen oder anderen Stelle schon zusammenkommen (kleine
Schneefallwarnung).

Montag... setzt sich die Ausweitung sowohl des Potenzialtroges als auch der
höhenkalten Luft nach Westen fort. Zum Tagesende liegt über dem größten Teil des
Landes unter -30°C in 500 hPa temperierte Polarluft, in der Nordhälfte sogar
unter -35°C, was zweifelsfrei hochwinterliche Züge hat. Die flache Welle zieht
unter Konturverlust in Richtung Schweiz, während die kaum noch west-südwestwärts
vorankommende Rinne sich beginnt, allmählich aufzufüllen. Der Bodenwind sowie
die niedertroposphärische Strömung drehen etwas nach rechts, wodurch noch etwas
kältere Luft advehiert wird. Erkennbar ist das dadurch, dass die -5°C-Isotherme
in 850 hPa bis 24 UTC von Norddeutschland her bis etwa zum 50. Breitengrad
vorankommt.
Tatsache ist, dass auch der Feiertag zu Beginn der neuen Woche alles andere als
frühlingshaftes Wetter parat hält. Im Gegenteil, es kommt erneut verbreitet zu
schauerartigen Niederschlägen, die in der Mitte und im N oberhalb 400 bis 600 m,
weiter südlich oberhalb 600 bis 1000 als Schnee fallen. Nach NO hin kann in
kräftigen Schauern die feste Phase bis in tiefe Lagen dabei sein, sollte
tagsüber aber keine größeren Probleme (Schneeglätte, Matsch) bereiten. Zudem
sind in weiten Teilen des Landes Graupelschauer und kurze Gewitter
wahrscheinlich, allerdings mit geringeren Begleitwinden als das heute der Fall
ist. Auch sonst spielt der Wind keine allzu prominente Rolle mehr, selbst an der
See und im Bergland wird es kaum noch für Böen >= Stärke 7 Bft reichen. Die
Tageshöchstwerte liegen meist zwischen 6 und 12°C, im höheren Bergland und an
den Alpen bei Dauerregen darunter.

In der Nacht zum Dienstag geht zwar das diesjährige Osterfest zu Ende,
mitnichten aber die spätwinterliche Witterung. Im Gegenteil, die hochreichende
Kaltluft mit T500 unter -35°C flutet nun auch die übrigen Landesteile mit
Ausnahme des äußersten W und SW. In 850 hPa breitet sich die -5°C-Isotherme bis
zu den Alpen aus, an der vorpommerschen Küste klopft die -10°C-Isotherme!! an -
herzlich Willkommen im Frühling 2017. Lustig ist das Ganze freilich überhaupt
nicht, denn es sinkt nicht nur die Schneefallgrenze weiter ab, es nimmt
gleichzeitig die Nachtfrostgefahr deutlich zu.
Gedämpft wird die Nachtfrostgefahr zunächst allerdings noch durch das
reichhaltige Bewölkungsangebot, das weiterhin für schauerartige Niederschläge
und trotz fehlender Einstrahlung auch für Gewitter sorgt, die nun mehr und mehr
auch nach S ausgreifen. Trotzdem, im Bergland sowie dort, wo es zumindest für
einige Zeit mal aufklart, ist die Temperatur schnell am Gefrierpunkt respektive
sogar etwas darunter angelangt. Ansonsten gehen die Dauerniederschläge an den
Alpen allmählich bis in die Täler in Schnee über, sonst sinkt die
Schneefallgrenze auf 500 bis 200 m. Besonders nach N und O zu kann es auch bis
ganz runter schneien, Glätte zumindest durch Schneematsch inclusive.

Dienstag... verbleiben wir im Bereich des Höhentroges bzw. der hochreichenden
Kaltluft. Nördlich des Vorhersageraums steigt der Luftdruck allerdings deutlich
an, was eine vom Ostatlantik bis nach Skandinavien reichende Hochdruckzone zur
Folge hat. Deutschland gelangt auf die Südflanke in eine nordöstliche
Grundströmung, mit der nun nicht mehr nordseegeprägte Polarluft advehiert wird,
sondern die o.e. trockenere Polarluft arktischen Ursprungs zu uns vorstößt. Bis
zum Abend sinkt die 850-hPa-Temperatur in der Nordhälfte auf -5 bis -10°C,
während sie im S um -5°C liegt. In 2 m bedeutet das verbreitet einstellige
Tageshöchstwerte, lediglich nach W und SW zu reicht es für magere 10/11°C.
Trotz beginnender Abtrocknung von N bzw. NO her kommt es auch am Dienstag in
weiten Teilen des Landes noch zu überwiegend schauerartigen Niederschlägen und
Gewittern. Je nach Intensität liegt die Schneefallgrenze zwischen 0 und 300 m,
im Süden etwas darüber. An den Alpen dauert die Staulage zunächst noch an, so
dass je nach Höhenlage noch mal 5 bis 15 cm, vereinzelt vielleicht sogar 20 cm
Neuschnee dazukommen können.
Auflockerungen oder gar sonnige Abschnitte sind am ehesten in Richtung
Küstenraum zu erwarten, wo sich allmählich Absinken durchsetzt. Dabei bleibt es
vielerorts trocken, allerdings können sich über der Ostsee noch einige
diabatisch getriggerte Schneeschauer entwickeln, die ein kleines Stück
landeinwärts ziehen. Der NO-Wind lebt im Tagesverlauf böig auf, wobei in einigen
Hochlagen und an der Ostsee Böen 7 Bft auftreten können.

Kurz noch ein Satz zur Nacht zum Mittwoch. Die Niederschläge ziehen sich
zunehmend nach Süden zurück, an den Alpen schneit es anhaltend weiter.
Verbreitet tritt leichter, bei längerem Aufklaren lokal sogar mäßiger (also -5°C
oder etwas darunter) auf.

Modellvergleich und -einschätzung

Die grundsätzliche Entwicklung wird von den einschlägigen Modellen ähnlich
gesehen. Schwierig zu beurteilen ist die Komponente Niederschlag, sowohl was die
Intensität angeht, als auch die Phase. In den Hochlagen der Alpen können
akkumuliert über die nächsten Tage durchaus 50 cm oder sogar noch mehr Neuschnee
fallen, was die Lawinengefahr deutlich nach oben schnellen lässt. Weiter unten
kommt durch den Nassschnee das Thema "Schneebruch" ins Spiel.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann