DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

27-02-2017 21:00
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 27.02.2017 um 10.30 UTC



Anfangs zyklonale Westlage mit stürmischem Wind. Ab Freitag vorübergehend
milder, in den Alpen Föhn. Ab dem Wochenende wieder kühler, dabei wechselhaft.
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Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 06.03.2017


Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Donnerstag befindet
sich Deutschland am nördlichen Rand der gut ausgeprägten und relativ glatt
konturierten Frontalzone, die vom mittleren Nordatlantik bis nach Mitteleuropa
reicht. Entsprechend liegen große Teile Südeuropas unter hohem Luftdruck,
während über Skandinavien und dem Nordostatlantik ein umfangreiches, mit
mehreren Druckminima ausgestattetes Tiefdrucksystem thront. Für den
Vorhersageraum relevant ist ein in die westliche Höhenströmung eingebetteter
KW-Trog, der tagsüber rasch über die Nordhälfte ostwärts geführt wird. Er
korrespondiert mit einer flachen Bodenwelle, die bereits in der Nacht zum
Donnerstag von den Niederlanden auf NW-Deutschland übergreift, am Morgen als
kleines Wellentief (um 990 hPa Kerndruck) Mecklenburg-Vorpommern und am Mittag
bereits die mittlere polnische Ostseeküste erreicht. Südlich der Welle baut sich
ein veritabler Druckgradient auf, der auch rückseitig der durchschwenkenden
Kaltfront/Okklusion andauert und Deutschland einen sehr windigen bis stürmischen
Donnerstag beschert, wobei es für Details aufgrund der sehr kurzen Wellenlänge
sowie der hohen Grundströmungsgeschwindigkeit noch etwas zu früh ist.
An Freitag beginnt die Frontalzone deutlich zu mäandrieren. Ausgehend von einer
markanten Austrogung über dem nahen Ostatlantik steilt die Höhenströmung
vorderseitig auf und mit Unterstützung deftiger WLA wölbt sich über Westeuropa
ein Höhenrücken auf, der sich langsam aber sicher dem Vorhersageraum nähert.
Knapp südwestlich von Irland etabliert sich ein Bodentief, das sich bis zum
Wochenende noch intensiviert und nur ganz langsam gen England zieht. Die
zugehörige Warmfront überquert Deutschland bei mittlerweile deutlich
aufgefächertem Gradienten am Freitag nordwärts und leitet die Zufuhr milder
Luftmassen aus SW-Europa respektive dem westlichen Mittelmeer ein. Dabei steigt
die 850-hPa-Temperatur bis Samstagmittag im ganzen Land auf +4 bis +9°C.
Außerdem setzt in und an den Alpen Föhn ein.
Im Laufe des Wochenendes kommt der Höhentrog dichter heran, allerdings
verbleiben wir zunächst noch auf der Vorderseite. Die gut ausgeprägte, mit viel
Krümmungsvorticity versehene Südspitze des Troges ist deutlich zum westlichen
Mittelmeer gerichtet, wo von Sonntag zum Montag eine Zyklogenese unweit vom Golf
von Genua angestoßen wird. Inzwischen (noch im Laufe des Samstags) hat die
schleifende Kaltfront des nach England ziehenden Bodentiefs den Westen
Deutschlands erreicht, von wo aus sie langsam ostwärts vorankommt. Dahinter
gelangt erwärmte Meereskaltluft (T850 um oder etwas unter 0°C) insbesondere in
die Westhälfte, während sich weiter im Osten noch die Reste der wärmeren
Luftmasse halten. IFS_ECMF simuliert von Sonntag zu Montag sogar ein kleines
Leetief nördlich der Alpen (Bereich Südostbayern/Oberösterreich), das bis
Montagmittag Vb-artig nach Sachsen zieht und im Osten und Südosten für
Niederschläge sorgt.
Im weiteren Verlauf der Woche (erweiterte Mittelfrist) tropft der Trog über
Italien ab. Das nördliche Residuum schwenkt langsam über die Nordhälfte
nordostwärts, gefolgt von einem weiteren KW-Trog, bevor sich zum Donnerstag die
Annäherung eines Rückens andeutet. Kurzum, der Witterungscharakter bleibt
wechselhaft, wobei die genaue Strömungskonfiguration in den nächsten
Modellläufen sicherlich noch mehrmals wechselt.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Der Vergleich des aktuellen 00-UTC-Laufs von IFS_ECMF mit den jüngsten
Vorgängern zeigt keine substanziell abweichende Lösung. Die Grundmuster stimmen
recht gut überein, auch wenn es selbstverständlich Unschärfen und kleine
Unterschiede im Timing oder auch in der Positionierung der an der Entwicklung
beteiligten Wettersysteme gibt.
Erst nach dem Wochenende, also schon weitgehend im Bereich des erweiterten
Mittelfristzeitraums, nehmen die Diskrepanzen zu. So wird die vom gestrigen
00-UTC-Lauf noch angedeutete Troglage mit mäßig kalter maritimer Polarluft
ebenso in Frage gestellt wie die kalte Nordströmung, die der 12-UTC-Lauf für
Mitte kommender Woche auf der Pfanne hatte.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die Ausgangslage zu Beginn der Mittelfrist gestaltet sich im Modellvergleich
sehr ähnlich. Das ändert sich im Laufe des Wochenendes, wenn die einzelnen
Modelle zunehmend "eigenwillig" agieren, was - wer weiß es heute schon - ja
nicht falsch sein muss.
Beispiel ICON, hier fällt der Höhentrog flacher aus als bei IFS und tropft auch
nicht ab. Das ganze Wettergeschehen wäre deutlich zonaler geprägt, wobei das von
England zur Nordsee ziehende Tief insbesondere den Norddeutschen einen windigen,
an der Küste sogar stürmischen Sonntag bescheren würde. Das kanadische GEM
übrigens zeigt Ähnlichkeiten zum ICON, wenn auch zeitlich verzögert.
GFS wiederum lässt den Höhentrog bereits vorher und weiter westlich abtropfen
und von SW her zieht bis Sonntag ein Bodentief nach Deutschland, auf dessen
Vorderseite die Warmluft, die am Samstag vorübergehend südostwärts abgedrängt
wird, wieder zurückgeholt wird.
FAZIT: Bis Freitag steht die Vorhersage aus deterministischer Sicht abzüglich
einiger Detailfragen. Danach nimmt die Unsicherheit deutlich zu und steht zu
befürchten, dass das auch von der Statistik so gesehen wird...
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


... Und tatsächlich zeigt der rasche Blick auf ein paar auserwählte
ECMF-EPS-Rauchfahnen eine zunehmende Streuung im Verlaufe des Wochenendes, auch
wenn das ganz große Delta zwischen den jeweiligen Extremlösungen der
Ensemblemitglieder ausbleibt. Bei T850 kann man sogar einen signifikanten Trend
ausmachen, der nach dem Maximum am Samstag klar nach unten zeigt. Weniger
eindeutig hingegen ist der Potenzialverlauf in 500 hPa, der nach dem Maximum am
Freitag zunächst kurzzeitig nach unten zeigt, dann aber indifferent wird ohne
klar definierten Median.
Immerhin tauchen in der Clusterung für den Zeitraum T+120...168h (Samstag bis
Montag) nur zwei Cluster (32 und 19 Fälle, HL/KL in CL 1) auf, von denen CL 2
zum Ende auf die gestern von den Modellen favorisierte Troglage setzt. Drei
Cluster sind es für den Zeitraum T+192...240h (24, 14, 13 Fälle; HL und KL in CL
2), von denen CL 1 und 2 einen wechselhaften Ablauf mit einem Hoch am Ende
andeuten, während CL 3 sehr zügig auf Hochdruckeinfluss (Brücke) stellt.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Der neuralgischte Tag des Mittelfristzeitraums in puncto "signifikante
Wettererscheinungen" scheint gleich der erste Tag, sprich, der kommende
Donnerstag zu sein. Im Vordergrund steht dabei der Parameter STURM, was der gut
definierten Frontalzone und der o.e. Wellen- bzw. Wellentiefpassage geschuldet
ist. Nicht nur die deterministischen Modelle, auch sämtliche probabilistischen
Verfahren angefangen vom EFI über ECMF-EPS bis hin zu COSMO-LEPS zeigt deutliche
Signale für eine Sturmlage mit Schwerpunkt in der Nordhälfte und auf den Bergen.
Dabei sind auch schwere Sturmböen bis in tiefe Lagen möglich, in exponierten
Kamm- und Gipfellagen kann es Orkanböen geben. Ab Freitag (wahrscheinlich sogar
schon in der Nacht zuvor) schwächt sich die Windsituation weitgehend ab, einzig
in und an den Alpen stellt sich vorübergehend eine Föhnlage mit Sturm auf den
Gipfeln, vielleicht auch in einigen Tälern.
Deutlich schwächer als für den Wind fallen die Hinweise auf möglichen DAUERREGEN
aus. Diesbezüglich liegen insbesondere von COSMO-LEPS, bedingst aber auch durch
den EFI, Signale für etwas größere Regenmengen am frühen Donnerstag (Nacht zuvor
bis in den Tag hinein) im Weststau des Schwarzwalds und des Bayerischen Walds
vor.
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Basis für Mittelfristvorhersage
Bis Freitag MOS-Mix, danach MOS-ECMF mit ECMF-EPS.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann