Thema des Tages

23-02-2017 14:40

"Zyklonale Westlage"

Der Jahresverlauf der Witterung in Mitteleuropa besteht aus einer
Folge typischer Wettersituationen, den "Großwetterlagen". Diese
ergeben sich aus weiträumigen Luftdruckverteilungen und den daraus
resultierenden Strömungsmustern der beteiligten Luftmassen in
Bodennähe sowie auch in den darüber liegenden Luftschichten. Das
Wetter selbst wird außerdem durch die Eigenschaften der in die
Zirkulation einbezogenen Luftmassen dominiert. Es kann während der
Andauer einer Großwetterlage an einzelnen Orten innerhalb des
betrachteten Gebietes durchaus wechseln, der allgemeine
Witterungscharakter bleibt jedoch erhalten.

Derzeit hat sich eine solche "zyklonale Westlage" (wissenschaftliche
Abkürzung Wz) eingestellt, wobei "zyklonal" für "tiefdruckdominiert"
steht. Zwischen hohem Luftdruck im Bereich der Azoren sowie des
Mittelmeeres und niedrigem Luftdruck über dem Nordatlantik und Europa
verläuft in der mittleren und höheren Troposphäre über dem Kontinent
eine recht straffe, westliche Höhenströmung. Im korrespondierenden
Bodendruckfeld liegt die ?Frontalzone? so ziemlich genau über
Deutschland.

Mit kräftigen westlichen Winden wird im Winterhalbjahr einerseits
milde Atlantikluft herangeführt, so dass aktuell sogar zweistellige
Tageshöchsttemperaturen erwartet werden. In die Strömung eingelagerte
Tiefausläufer bringen zeit- und gebietsweise Niederschläge, die
andererseits auf deren Rückseiten, in der südwärts vordringenden
Kaltluft, z.T. bis in tiefere Lagen als Schneeschauer niedergehen
können. Zyklonale Westwetterlagen sind typisch für das Klima
Mitteleuropas. Im Gegensatz zur für uns beständigeren,
"antizyklonalen" Variante verläuft die Frontalzone, also der
Übergangsbereich zwischen polaren und subtropisch geprägten
Luftmassen, weiter südlich.

Besonders im Winterhalbjahr verschärfen sich durch die unmittelbare
Nachbarschaft von (ursprünglich subtropischen) Warmluftmassen im
Süden und (ursprünglich subpolaren) Kaltluftmassen im Norden die
Luftdruckgegensätze über dem nordatlantisch-europäischen Raum und
nicht selten kommt es dabei zur Entwicklung von Sturmzyklonen.
Bereits in der vergangenen Nacht entstand an der Frontalzone westlich
der Britischen Inseln aus einer zunächst unscheinbaren, flachen
Wellenstörung mittels ?rapider Zyklogenese? das recht schnell
laufende, wenig umfängliche aber höchst wetterwirksame Sturmtief
THOMAS. Am heutigen Donnerstag früh noch mit seinem Kern über
Nordirland, wird uns THOMAS im Verlaufe des Abends und der kommenden
Nacht überqueren, um bereits ab Freitagmittag als z.T. aufgefülltes
und dann eher unbedeutendes Randtief von einer weiteren Zyklone
(STEFAN) über Skandinavien ?eingefangen? und marginalisiert zu
werden.

Zuvor jedoch wird sich THOMAS über Mitteleuropa austoben und auch
Deutschland heimsuchen. In der zweiten Tageshälfte bis Freitagfrüh
muss in einem Areal zwischen Ostfriesland und der
Mittelgebirgsschwelle im Westen Deutschlands sowie ostwärts über
Mitteldeutschland hinweg bis in den Berliner Raum verbreitet mit
schweren Sturmböen (Windgeschwindigkeiten bis 100 km/h oder
Windstärke 10 Bft) gerechnet werden. Im Zusammenhang mit Schauern
oder einzelnen Gewittern und vor allem auch in den Abendstunden
können örtlich orkanartige Böen (um 110 km/h, Bft 11) und in
exponierten Kamm- und Gipfellagen des Berglandes auch Orkanböen (um
120 km/h bzw. 12 Bft) mit von der Partie sein. Außerdem tritt
gebietsweise markanter Dauerregen auf, der in den östlichen
Mittelgebirgen im Zusammenwirken mit den milden Temperaturen zu
intensivem Tauwetter führt, das im Oberharz Unwettercharakter
aufweisen kann.

Unter http://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2017/02/23.html
finden Sie im oberen Teil der Abbildung eine mit Daten des gestrigen
12:00-UTC-Laufes des deutschen Vorhersagemodells ICON erstellte
Bodenwetterkarte (Prognosekarte) für Donnerstag, den 23.02.2017,
12:00 UTC. Darunter gibt es für denselben Termin eine auf dem
heutigen 00:00-UTC-Lauf basierende Vorhersage des Windfeldes nach
Geschwindigkeit und Richtung. Dabei stellt die Legende unten links
eine Skala der Windgeschwindigkeiten in Knoten dar (engl.
Einheitenzeichen [kt], 1 kt = 1 sm/h = 1,852 km/h), die Windpfeile
zeigen Windrichtung und Windgeschwindigkeit (Fiedern) an den
Modellgitterpunkten. Kurz vor dem Übergreifen des Sturmfeldes auf den
Kontinent konzentrieren sich die höchsten Windgeschwindigkeiten auf
die Region südlich und südwestlich des Tiefzentrums mit einem
Kerndruck von weniger als 980 hPa.

Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.02.2017

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