Thema des Tages

31-01-2017 14:40

Der Schneeflockenmann

Während sich in großen Teilen des Landes inzwischen die Milderung
durchgesetzt hat bzw. der Südosten immer noch mit unwetterartigem
Glatteis durch gefrierenden Regen kämpft, gab es ihn im Nordosten
Deutschlands vergangene Nacht noch einmal: vom Himmel fallenden
Schnee!

Was machen wir mit Schnee? Viele nutzen ihn für sportliche
Aktivitäten auf Ski- und Langlaufpisten, andere formen ihn zu Figuren
oder Wurfgeschoßen. Für andere bedeutet er viel Arbeit - Stichwort
Schneeräumung. Manche erfreuen sich wiederum einfach nur an seinem
Anblick. Doch kaum jemand sieht mal genauer hin ...

Denjenigen, die es dann doch tun, ist vielleicht aufgefallen, dass
eine größere Schneeflocke aus mehreren zusammengewachsenen
Schneekristallen bzw. die Schneemasse am Boden wiederum aus
unzähligen kleinen Schneekristallen besteht. Im 19. Jahrhundert gab
es jemanden, der dahingehend besonders genau hingesehen hat: Wilson
Alwyn Bentley.

Bentley (geboren am 9. Februar 1865 als Sohn eines Farmers in den
USA) war schon als Kind fasziniert von Schneeflocken. Bei jedem
Schneeschauer sammelte er die Flocken ein und betrachtete diese unter
dem Mikroskop in seiner kalten Scheune. Im Laufe der Jahre stellte er
fest: "Keine Schneeflocke gleicht der anderen!" Denn je nach
atmosphärischem Zustand wie zum Beispiel Lufttemperatur,
Luftfeuchtigkeit, Wind und beteiligter Aerosole (kleinste Partikel in
der Luft) wachsen die Schneekristalle in den unterschiedlichsten
Formen. Sterne, Plättchen, Säulen oder Nadeln sind dabei nur grobe
Einteilungen, denn die Struktur von Schneekristallen ist extrem
vielfältig.

Leider ist der Anblick der Schneekristalle unter dem Mikroskop sehr
vergänglich, denn selbst bei frostigen Temperaturen verändert sich
ihre Form durch Verdunstung sehr rasch und sie lösen sich nur kurze
Zeit später vollständig "in Luft" auf. Auf der Suche nach der Lösung
des Problems experimentierte der mittlerweile 17-jährige Wilson Alwyn
Bentley mit einem Fotoapparat mit Mikroobjektiv. Nach vielen
erfolglosen Versuchen gelang es ihm ab dem 15. Januar 1885 (mit knapp
20 Jahren) beeindruckende Fotoaufnahmen von Schneekristallen für die
Nachwelt festzuhalten.

Auch wenn er mit seiner Arbeit zu dieser Zeit unter Wissenschaftlern
nicht allzu große Anerkennung erlangte, hielt er an seiner Profession
fest. Bis zu seinem Lebensende fotografierte er mit akribischer
Genauigkeit mehr als 5.000 (!) Schneekristalle und veröffentlichte im
November 1931 mit 66 Jahren sein Lebenswerk in dem Buch "Snow
Crystals" (Bentley, Wilson A. und Humphreys, William J.). Nur kurze
Zeit später, am 23. Dezember 1931, verstarb Bentley an einer
Lungenentzündung, die er sich tragischerweise ausgerechnet während
eines Schneesturms zugezogen hatte.

Wenngleich er zu seinen Lebzeiten nicht den Ruhm erlangte, den er
vielleicht verdient hätte, so haben seine Bilder dafür bis heute
einen hohen wissenschaftlichen Stellenwert und Wilson Alwyn Bentley
ging als "The Snowflake Man" ("Der Schneeflockenmann") in die
Geschichte ein.

Vielleicht sehen nun mehr von uns genauer hin, wenn es das nächste
Mal schneit!

Mag.rer.nat. Michael Tiefgraber
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 31.01.2017

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