DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

27-01-2017 21:00
SXEU31 DWAV 271800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 27.01.2017 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Zunächst noch ruhige Hochdrucklage mit verbreitetem Nachtfrost. Ab Samstagabend
von Westen her leichte Niederschläge, dabei Gefahr von gefrierendem Regen.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... lässt der Anblick der Potenzialkarten bei einigen Herrschaften eine
gewisse Traurigkeit aufkommen. Insbesondere den Ästheten unter den
meteorologisch Interessierten dürfte es nun etwas kälter ums Herz werden, was
einen einfachen Grund hat: das Omega, dieser Adonis im griechischen Alphabet und
zuletzt in der Höhenströmung mustergültig ausgeprägt, verliert von nun an
sukzessive an Kontur. Gleichwohl bleibt die Grundstruktur zunächst noch
erhalten, sprich, sowohl der für uns wetterbestimmende Höhenrücken als auch die
beiden flankierenden Tröge über dem nahen Ostatlantik und Osteuropa bleiben
zunächst noch existent, wobei sich das Gesamtmuster aber leicht progressiv
zeigt. So gelangen wir in der kommenden Nacht auf die Rückseite des scheidenden
Rückens ergo auf die Vorderseite des nachfolgenden Troges unter eine moderate
und vor allem noch deutlich antizyklonal konturierte südliche Höhenströmung.
Auch im Bodendruckfeld gelangt der Vorhersageraum quasi zwischen die Stühle. Auf
der einen Seite das kräftige Hoch mit Schwerpunkt über dem Balkan, auf der
anderen Seite die meridionale Tiefdruckzone zwischen Island und dem westlichen
Mittelmeer mit dem Haupttief zwischen Island und Schottland und abtropfenden
Tief unweit der Balearen.
Wie so oft bei einer solchen Konstellation reicht es vor allem nach Westen hin
für den Durchzug mehr oder weniger dichter hoher und mittelhoher Wolkenfelder
ohne Niederschlag, während es sonst größtenteils klar bleibt. Im Süden und
Südosten bildet sich stellenweise Nebel. Im östlichen Sachsen lebt der Böhmische
Wind leicht pulsierend immer mal wieder auf mit Spitzen 7 Bft, exponiert in
freien Lagen vielleicht auch mal 8 Bft.
Mit Ausnahme einiger Gebiete in NRW (dort, wo heute tagsüber 5 bis 10°C erreicht
wurden und in der Nacht wahrscheinlich ausreichend Bewölkung vorhanden ist) und
einigen nordseenahen Orten geht die Temperatur in den leichten, vielfach
mäßigen, im Süden und Südosten auch strengen Frostbereich zurück.

Samstag ... tropft der westlich von uns positionierte Trog in seinem Südteil ab
und das resultierende Cut-Off-Tief zieht via Tunesien gen Syrtis Minor.
Gleichzeitig überquert das nördliche Trogresiduum UK/Irland und Teile
Frankreichs ostwärts, wobei es den Abstand zum vor ihm positionierten, kaum noch
ostwärts vorankommenden Höhenrücken verringert. Oder anders ausgedrückt, der
Trogrest wird ausgebremst, was seiner Dynamik nicht gerade förderlich ist. Nimmt
man dann noch die Hauptschichtdickenadvektion dazu - KLA auf der Vorder-, WLA
auf der Rückseite -, wundert es einen nicht, dass der Trog zunehmend an Struktur
einbüßt, da er im Grunde von hinten peu a peu zugeschüttet wird. Trotzdem, ganz
von der Bildfläche verschwindet der gute Trog nicht, seine Achse wird aber erst
in der Nacht zum Sonntag (und das wohl auch erst spät) von Benelux und
Ostfrankreich her auf den äußersten Westen übergreifen.
Dem Trog vorgeschaltet ist eine zur Wellenbildung neigende Kaltfront, die zu dem
o.e. Tief gehört, das an der isländischen Ostküste vorbei in Richtung
Europäisches Nordmeer zieht. Diese Front greift in den Abendstunden auf den
Westen des Landes über und erreicht zum Tagesende etwa eine Linie
Ostfriesland-Saarland.
Zuvor gestaltet sich der samstägliche Tagesablauf vergleichsweise unspektakulär,
indem noch mal vielerorts die Sonne scheint. In den Donauniederungen, in
Ostbayern und vielleicht auch im Bodenseeraum hält sich teils zäher Nebel oder
Hochnebel, im Westen und Nordwesten ziehen unterschiedlich dichte hohe und
mittelhohe Wolken durch. Während sich unter dem Nebel und Hochnebel
Süddeutschlands leichter, örtlich sogar mäßiger Dauerfrost hält, aber auch im
Osten der Gefrierpunkt trotz Einstrahlung nicht überall überschritten wird,
steigt die Temperatur sonst auf 1 bis 7°C, im Süden und Westen hier und da bis
in mittlere Höhenlagen auch noch etwas darüber (teils mit Hilfe von
Leeeffekten). Warnwürdige Windböen dürften nach wie vor aber nur im
Ostsächsischen auftreten (7 Bft), wo der Böhmische Wind immer noch flott aus
Süden bis Südosten unterwegs ist.

Am Abend und in der Nacht zum Sonntag nimmt die Hebung im Westen und Nordwesten
zu, wobei ein Großteil der Hebung von frontalen Prozessen geleistet wird. Zwar
produziert die diffluente Trogvorderseite ein gewisses Maß an PVA, die aber
durch die o.e. KLA teilkompensiert wird, so dass am Ende nicht viel negative
Vertikalgeschwindigkeit herauskommt. Mit Annäherung der Front kommt es letztlich
aber doch zu leichten Niederschlägen, die nach der deutschen Modellkette von
heute 12 UTC bis zum Morgen etwa eine Linie Kieler Bucht-Mittelhessen-Südpfalz
erreichen. Viel Niederschlag soll nicht fallen (max. bis zu 3 mm innert 12 h im
westlichen Mittelgebirgsraum). Die Frage ist vielmehr, in welcher Phase er
fällt. Aus jetziger Sicht sieht es so aus, dass die Temperatur in tiefen Lagen
West- und Nordwestdeutschlands im positiven Bereich verbleibt, so dass die
Wahrscheinlichkeit für "normalen" Regen sehr hoch ist. Zwar steckt im Boden noch
teilweise bis zu 20 cm oder sogar etwas darunter leichter Frost, aufgrund des
fühlbaren Wärmestroms zum Erdboden hin, der Gegenstrahlung sowie
Durchmischungseffekten infolge des durchaus vorhandenen Windes dürfte die
bodennahe Energiebilanz positiv sein und Glätte keine Rolle spielen - es sei
denn, es ginge postfrontal noch in der Nacht auf, wonach es derzeit aber nicht
aussieht.
Kritischer sieht es etwas weiter nach Osten hin aus sowie im Mittelgebirgsraum,
wo sich noch Frost/Bodenfrost halten - insbesondere in geschützten
Mittelgebirgstälern. Dort nimmt die Gefahr von gefrierendem Regen zu, auch wenn
niedertroposphärisch sukzessive kältere Luft um -2°C einsickert, die zumindest
für höhere Lagen wieder die Schneephase favorisieren würde. Summa summarum
entpuppt sich das ganze Geschehen aus heutiger Sicht noch als ziemlich komplex
und unscharf, zumal ja auch noch nicht mal klar ist, bis wohin der Niederschlag
vorankommt und wieviel tatsächlich fällt (GFS fährt diesbezüglich eine deutlich
defensivere Variante). Tendenziell sieht es so aus, als müsste in einigen
Regionen eine markante Glatteiswarnung bemüht werden, doch ist man bei diesem
Parameter schnell auch mal im "roten" Bereich, auch wenn die Lage auf den ersten
Blick nicht unbedingt darauf hindeutet.
Tatsache ist, dass der Süden und Osten von etwaigen Niederschlägen verschont
bleiben. Teils gibt es Nebel oder Hochnebel, teils wird die Nacht gering bewölkt
oder klar. Mit Ausnahme des Westens und Nordwestens tritt leichter bis mäßiger,
im Südosten lokal auch noch mal strenger Frost auf. Der Böhmische Wind in
Ostsachsen hält noch ein paar Stunden durch, bevor er in der zweiten Nachthälfte
wahrscheinlich allmählich nachlässt.

Sonntag ... überquert der immer flacher werdende Höhentrog mit vorgelagerter
Kaltfront die Nordhälfte Deutschlands ostwärts, bevor sich über uns
vorübergehend eine relativ glatte westliche Höhenströmung einstellt. An bzw.
hinter der Kaltfront kommt es zunächst noch zu Niederschlägen, die sich auf
ihrem Weg nach Osten aber mehr und mehr abschwächen und die Gebiete etwa südlich
der Mainlinie sowie Sachsen und Thüringen gar nicht oder nur sehr abgemagert
erreichen (externe Modelle sind übrigens noch defensiver und lassen große Teile
der Mitte weitgehend niederschlagsfrei). Wie auch immer, nach Osten zu und in
der Mitte (so dort Niederschläge auftreten) besteht anfangs die Gefahr von
gefrierendem Regen, während im höheren Bergland in der postfrontal einsickernden
subpolaren Meeresluft (T850 -2 bis -4°C) eher wieder Schnee fällt, wenn
überhaupt noch was fällt.
Im Zuge der erwähnten Trogpassage wird in den Norden vorübergehend ein Schwall
höhenkalter und leicht labil geschichteter Meeresluft gespült (T500 um oder
sogar etwas unter -30°C), was dort einige Regen- oder Graupelschauer, vielleicht
sogar mal einen Nassschneeschauer (T850 um -5°C) zur Folge hat. Ob es auch für
ein kurzes Kaltluftgewitter reicht, bleibt abzuwarten, die Signale jedenfalls
sind aus jetziger Sicht eher dürr.
So blieben abschließend noch der Süden und auch Teile des Ostens bzw. der
östlichen Mitte abzuarbeiten, die sich auf einen vergleichsweise ruhigen, leicht
antizyklonal (im Rahmen einer von Russland bis zu den Azoren reichenden
Hochdruckzone) geprägten Sonntag freuen oder ärgern dürfen (manchen schlägt die
atmosphärische Ruhe respektive Langeweile ja durchaus auf´s Gemüt). Vor allem
nördlich des Erzgebirges bis hoch in die Niederlausitz sowie Richtung Alpen und
in den ostbayerischen Hochlagen scheint noch mal häufig die Sonne, während sonst
Wolkenfelder, gebietsweise aber auch zäher Nebel oder Hochnebel grauere Töne
anschlagen. Dort, wo Letzteres auftritt, steht nun schon zum x-ten Mal in diesem
Monat ein Eistag ins Haus, während die Temperatur im größten Teil des
Vorhersageraums aber in die Bereiche zwischen +1 und +8°C vorstößt, was für
einige ja sogar wieder eine kleine Abkühlung bedeutet.
Mit Durchgang der Kaltfront frischt der auf Südwest drehende Wind im Norden
vorübergehend etwas auf. Warnwürdige Böen dürften sich im Wesentlichen aber auf
die Nordsee (7 Bft) und den Brocken (bis 9 Bft) beschränken.

In der Nacht zum Montag stellt sich im Bodendruckfeld kurzzeitig
Zwischenhocheinfluss ein, dessen Wirksamkeit aber nicht von langer Dauer sein
soll. Von Westen her nähert sich nämlich die Warmfront eines atlantischen
Frontensystems, in deren Vorfeld kräftige WLA schon weit nach Osten ausgreift.
Hinzu kommt ein neuerlicher, sich deutlich ausformender Sekundärtrog von der
Nordsee, der zu der WLA ebenfalls einen Hebungsimpuls beisteuert. Kurzum, von
Westen her setzten etwa gegen Mitternacht Niederschläge ein, die sich über Teile
Norddeutschlands und der Mitte ostwärts ausbreiten. Welche Gebiete genau bis zum
Morgen davon erfasst werden, steht derzeit noch in den Sternen, da die Modelle
diesbezüglich recht heterogen agieren. Die deutsche Modellkette fährt einen sehr
offensiven Kurs, während IFS_ECMF von 00 UTC deutlich zurückhaltender zu Werke
geht (nur äußerster N und NW). GFS wiederum liegt dazwischen und operiert im
frischen 12-UTC-Lauf etwas forscher als in den jüngsten Läufen zuvor.
Doch nicht nur die räumliche Verteilung und Intensität der Niederschläge wirft
Fragen auf, auch die Phase bereitet einmal mehr Kopfzerbrechen. Die Numerik
bietet von Regen über gefrierenden Regen mit Glatteis bis hin zu Schneefall bis
in tiefe Lagen quasi alles an, was die Palette der Hydrometeore so zu bieten
hat. Aufgrund der ohnehin schon großen Unsicherheiten (siehe oben), weigert sich
der Verfasser, an dieser Stelle schon tiefer führende substanzielle Überlegungen
über die Niederschlagsphase anzustellen, würde doch das Ganze zu sehr in
Spökenkiekerei abgleiten. Morgen gibt es sicherlich mehr dazu.
Nicht unerwähnt bleiben soll allerdings, dass der Süden und Osten noch
weitgehend niederschlagsfrei bleiben, teils mit Nebel und meist mit Temperaturen
im leichten bis mäßigen Frostbereich. Besonders im Mittelgebirgsraum frischt der
südliche Wind auf mit Böen 6-7 Bft, exponiert 8-9 Bft.

Montag ... wird die Vorhersage nicht sicherer. ICON lässt den besagten Höhentrog
sich weiter intensivieren und dabei langsam ost-südostwärts durchschwenken.
Gleichzeitig greift die Warmfront auf Deutschland über, wobei sich die Bildung
einer Warmfrontwelle abzeichnet. Auf alle Fälle breiten sich die Niederschläge
auf den gesamten Osten und Süden aus - ein Szenario, was von den externen
Modellen so nicht simuliert wird. Diese lassen den Süden und im Falle von
IFS_ECMF von 00 UTC auch größtenteils den Osten trocken. Dagegen rechnet
ICON_Nest für den südwestdeutschen Mittelgebirgsraum sogar ein wenn auch
schwaches markantes Dauerregenereignis (25-30 mm innert 12 h). Hier ist also
noch viel Raum für Spekulationen. Sollten tatsächlich die Kältebastionen im
Süden und Südosten von den Niederschlägen erfasst werden, könnte das eine
größere Glatteisgeschichte zur Folge haben. Aber wie man leicht sieht, benutzt
der Verfasser hier schon des Meteorologen liebsten Modus - den Konjunktiv. Um
den hier nicht noch mehr bemühen zu müssen, wird an dieser Stelle Schluss
gemacht mit der Erkenntnis, dass der Beginn der neuen Woche sehr wahrscheinlich
einige Überraschungen parat haben wird, wie immer sie auch aussehen mögen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Bereits in der Nacht zum Sonntag nehmen die Modellunterschiede zu, vor allem im
Hinblick auf die Niederschlagsentwicklung. Hier wurde im Haupttext bereits
mehrfach drauf eingegangen.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann