DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

13-01-2017 09:00
SXEU31 DWAV 130800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 13.01.2017 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang zu TrM (Trog Mitteleuropa), später zu NEa (Nordost antizyklonal)

Abzug von Orkantief EGON gen Polen, Nachfolgetief CAIUS ab dem Abend von der
Nordsee her. Dabei neue Schneefälle und erneut auffrischender Wind, aber nicht
so kräftig wie bei EGON.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... steht im Zeichen des scheidenden Sturm- respektive Orkantiefs EGON,
das heute früh 05 UTC knapp südlich von Hannover analysiert werden konnte, von
wo aus es mittlerweile in nordöstlicher Richtung weitergezogen ist. Um 09 UTC
dürfte es knapp nord-nordöstlich von Berlin aufschlagen, um gegen Mittag
Deutschland gen Polen zu verlassen. Den Höhepunkt mit etwas unter 980 hPa hat
EGON überschritten, das Tief beginnt sich - wenn auch sehr langsam - allmählich
aufzufüllen. Mit Verlagerung des Tiefs verschiebt sich auch das zugehörige
Sturmfeld auf der Süd- bzw. Südwestflanke über die Mitte und den Süden hinweg
nach Osten. Tendenziell schwächt sich der Wind aufgrund des Alterungsprozesses
des Tiefs und damit zusehends verpuffender Effekte wie z.B. der Stingjet-Effekt,
der in der Nacht im SW noch aufgetreten ist und dort zu Orkanböen geführt hat.
Nichtsdestotrotz bleibt es freilich stürmisch, wobei der von SW mehr auf
westliche Richtungen drehende Wind in Böen Sturmstärke bis 10 Bft, im höheren
Bergland bis 12 Bft (Orkan) erreicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass Orkanböen
11-12 Bft auch in tieferen Lagen auftreten, schwindet zusehends. Nach Westen und
Südwesten lässt der Wind zusehends nach, bis zum Nachmittag reicht es aber noch
für einige 7er-Böen, im höheren Bergland für 8-9er-Böen.
Das zweite dicke Brett, das uns Kollege EGON zum Bohren auf den Schreibtisch
gelegt hat, betrifft den Niederschlag. Im Radar erkennt man sehr schön das um
den Tiefkern herumgewickelte Niederschlagsgebiet mit Schwerpunkten im NO und in
der westlichen Mitte. Die Schneefallgrenze ist trotz vielfach leicht positiver
Temperaturen bis in tiefe Lagen abgesunken, so dass dort verbreitet nasser
Schnee oder Schneeregen fällt. Im Osten allerdings, quasi im Warmsektor des
Tiefs, regnet es noch einige Zeit, bevor der Regen später unter Abschwächung in
Schnee oder Schneeregen übergeht. Tatsache ist, dass sich der südliche
Schwerpunkt über die Mitte hinweg nach Osten verlagert, während es im Nordosten
bis zum Nachmittag weiter schneit. Dort sind 5 bis 10 cm, lokal bis 15 cm
Neuschnee (nass) möglich. Im Mittelgebirgsraum kommen in Staulagen 10 bis 15 cm,
lokal bis zu 20 cm Neuschnee bis heute Abend zusammen. Dabei bleibt die Gefahr
von Schneeverwehungen (Unwetter) in Lagen oberhalb etwa 600 m erhalten, während
weiter unten die nasse Phase überwiegt und auch nicht ganz so hohe Mengen
fallen.
Schneefall, zunehmend bis in tiefe Lagen, gibt es auch im Süden. Vor allem im
nördlichen und östlichen Bayern, am Alpenrand sowie im Schwarzwald und auf der
Schwäbischen Alb sind bis zum Abend 1-5 cm, im Bayerischen Wald bis 10 cm
Neuschnee drin, starke Schneeverwehungen (bis hin zu Unwettern) inclusive.
Nun gibt es freilich auch noch ein Leben nach EGON, das auch von gesteigertem
Interesse ist und mitnichten Langeweile aufkommen lässt. Da wäre zunächst der
von Westen nachrückende, sich deutlich nach Süden ausbreitende KW-Trog, der sich
zum Tagesende sogar für die Champions League unter den troposphärischen
Potenzialgebilden qualifiziert, indem er zu einem veritablen LW-Trog mutiert,
der vom Nordpolarmeer bis knapp an den afrikanischen Kontinent heranreicht.
Deutschland gelangt zunehmend in den westlichen Bereich dieses Troges, wo von
Norden her straight ahead hochreichende Polarluft arktischen Ursprungs nach
Süden gesteuert wird, die sich freilich über den vorgelagerten Meeresgebieten
erwärmen kann.
Wie auch immer, nach Abzug des stratiformen Niederschlags kommt es noch zu
einzelnen Schnee-, Schneeregen- oder sogar Regenschauern. Zum Abend hin rückt
dann zusehends ein weiteres kleines Tief in den Blickpunkt, das - so viel sei
vorweggenommen - nicht das Kaliber eines EGONs besitzt, auf der anderen Seite
aber auch nicht zu unterschätzen ist. Es zieht heute entlang der norwegischen
Westküste nach Süden, bevor es in den Nachmittagsstunden über der nördlichen
Nordsee, am Abend dann in der Deutschen Bucht aufschlägt. Bereits im Vorfeld
frischt der vorübergehend auf S-SW rückdrehende Wind an der Nordsee und im
angrenzenden Binnenland auf mit Böen 7 Bft, Küste 8 Bft. Zudem setzen im
äußersten W und NW WLA-getriggerte Niederschläge ein, die teils als Schnee,
teils als Regen fallen.

In der Nacht zum Samstag zieht besagtes Tief (Kerndruck knapp unter 990 hPa)
über die Elbmündung hinweg südostwärts und erreicht am frühen Morgen die
Lausitz. Damit verlagert sich auch der Niederschlag, teils schauerartig
verstärkt und vielleicht auch mal von einem Kaltluftgewitter begleitet über die
Mitte hinweg südostwärts, wobei meist die feste Phase bis in tiefe Lagen
anzutreffen ist oder etwas schlichter ausgedrückt: es schneit überwiegend.
Abgesehen von einigen Tieflagen kommen dabei bis zu 5 cm, im Bergland bis zu 10
cm, in Staulagen bis zu 15 cm und im Schwarzwald/Allgäu sogar bis zu 20 cm
Neuschnee zusammen. Da die Temperatur mit Ausnahme tiefer Lagen Westdeutschlands
und des Rheintals (plus Nebenflüssen) in den leichten Frostbereich zurückgeht,
besteht auch abseits der Schneefälle Glättegefahr.
Zweiter Punkt ist der Wind, der westlich und südlich des Tiefkerns merklich
auffrischt und auf W-NW dreht. Dabei sind Böen 7-8 Bft, an der Nordsee bis 9
Bft, im höheren Bergland 9-10 Bft zu erwarten. Damit bleibt in höheren Lagen das
Thema Schneeverwehungen bis in den Unwetterbereich akut.

Samstag... zieht das kleine Tief nach Südpolen und wird Bestandteile einer
meridional angeordneten, sich über tausende Kilometer erstreckende
Tiefdruckzone, die von der Barentssee bis nach Griechenland reicht. Dem
gegenüber steht das nach Osten verschobene Azorenhoch mit Zentrum westlich der
Biskaya. Deutschland liegt mittenmang in einer zunächst noch flotten
nordwestlichen Strömung, in der die Zufuhr arktischer Polarluft andauert. In 850
hPa sinkt die Temperatur auf
-7/-8°C, in 500 hPa auf etwas unter -35°C, so dass die Luftmasse hinreichend
labil geschichtet ist. Entsprechend kommt es zu schauerartigen Schneefällen bis
in tiefe Lagen, vereinzelt mit Blitz und Donner. Während sich in tiefen Lagen
aufgrund leicht positiver Temperaturen vielfach nur vorübergehend eine dünne
Schneedecke bildet (Glättegefahr!), kommen im Bergland 5 bis 10 cm, im
Schwarzwald lokal bis 15 cm, im Allgäu vielleicht sogar 20 oder 25 cm Neuschnee
zur bestehenden Schneedecke dazu. Ein Schneeschauerminimum offenbart sich im NO
des Landes, wo offensichtlich der Norwegenföhn greift, der dort zudem der Sonne
ein paar Auftritte gewährt.
Der westliche bis nordwestliche Wind weht anfangs noch mäßig bis frisch mit Böen
7-8 Bft (außer O und NO), im Bergland bis zu 10 Bft. Vor allem im Süden sind
durch den Leitplankeneffekt Sturmböen 8-9 Bft zunächst noch etwas breiter
gestreut. Zum Nachmittag wird der Wind allgemein schwächer, einzig an der
Nordsee und in einigen Berglagen (O/SO) treten noch Böen 8 Bft auf. Damit nimmt
auch die anfängliche Gefahr von Schneeverwehungen im Bergland (zunächst
weiterhin teils Unwetter) sukzessive ab.

In der Nacht zum Sonntag zieht NO ein Bodentrog durch, der einige Schneeschauer
produziert. Aber auch sonst kommt es noch zu zeitweiligen, in Staulagen länger
andauernden Schneefällen mit Neuschneemengen von 1-5 cm, im Stau lokal 10 cm. Es
gibt verbreitet leichten, im Bergland teils mäßigen Frost. Der Wind lässt weiter
nach, so dass Verwehungen kein Thema mehr sein sollten.

Sonntag... steigt der Luftdruck von Westen her und auch das Potenzial legt etwas
zu, weil der Höhenrücken vom Ostatlantik dichter an den Kontinent heranrückt.
Gleichwohl verbleiben wir unter einer nördlichen Höhenströmung. Die
eingeflossene Polarluft kommt mehr und mehr zur Ruhe, trotzdem fällt im S und O
weiterhin Schnee, in Staulagen 5-10 cm innert 12 h. Im NW ist die Lage noch
unsicher. ICON sieht uns auf der Vorderseite einer Warmfrontwelle, die aber
soweit westlich positioniert ist, dass sie unseren Raum nicht tangiert (siehe
TKB T+60h). ECMF wiederum kann offensichtlich nicht genug kriegen von diesen
kleinen Tiefs und schickt im Tagesverlauf ein weiteres Exemplar von der Nordsee
her in Richtung NW-Deutschland, das dort und im W leichte Schneefälle zur Folge
hätte. GFS simuliert dieses Tief auch, allerdings ein Stück weiter westlich als
ECMF. Abwarten und Tee trinken heißt hier die Devise, wobei sich Winterfans ´ne
Tasse Weißtee (z.B. "Weiße Hoffnung") gönnen sollten, während
Antiwinter(schnee)fans auf Grün- oder Schwarztee zurückgreifen sollten.

Modellvergleich und -einschätzung
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Im Grunde ist alles gesagt. EGON ist bald Geschichte, doch auch sein Nachfolger
(die FU Berlin bezeichnet ihn als CAIUS, was nach Auffassung des Verfassers
nicht ganz korrekt ist, weil es sich um einen Ableger des ehemaligen
Zentraltiefs CAIUS über der Norwegischen See handelt, aber egal) sollte nicht
unterschätzt werden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann