DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

11-01-2017 21:00
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 11.01.2017 um 10.30 UTC



Anfangs kalte Troglage mit Schneefällen bis in tiefe Lagen. Im Laufe der
nächsten Woche mit Nordostwind kontinentalere Prägung, verbreitet Dauerfrost.
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Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 18.01.2017


Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Samstag liegt
Deutschland inmitten eines veritablen, mit hochreichender Kaltluft (T500 um
-35°C) angefüllten Langwellentroges, der sich quasi vom Nordpolarmeer bis an die
Kante Nordafrikas erstreckt. Von Norden in die Rückseite hineinlaufende
kurzwellige Troganteile regenerieren dieses Prachtexemplar immer wieder aufs
Neue. Zudem bekommt der nicht minder eindrucksvolle Höhenrücken über den
Ostatlantik zunächst keine Chance, wesentlich nach Osten vorzustoßen.
Stattdessen vergrößert er seine Amplitude, die Keilachse weitet sich am
Wochenende bis nach Spitzbergen aus.
Schaut man auf das korrespondierende Bodendruckfeld, so fällt einem unweigerlich
das quasistationäre, zum Seegebiet knapp westlich der Biscaya vorgeschobene
Azorenhoch ins Auge. Ihm steht eine langgestreckte, von Nordeuropa bis in den
zentralen und östlichen Mittelmeerraum reichende Tiefdruckzone gegenüber, in die
mehrere Drehzentren eingelagert sind. Deutschland befindet sich im zunächst noch
deutlich zyklonale konturieren Übergangsbereich dazwischen in einer
nordwestlichen, später mehr nördlichen Grundströmung, mit der Polarluft
arktischen Ursprungs in den Vorhersageraum gesteuert wird. Dabei sinkt die
Temperatur sukzessive ab; liegt sie in
850 hPa am Samstag anfangs noch bei rund -5°C, so sind es am Sonntag nach dem
TATORT (hoffentlich nicht wieder so ein schlechter wie vergangenen Sonntag)
zumindest im Osten und Süden etwa -10°C. Entsprechend fallen etwaige
Niederschläge bis in tiefe Lagen als Schnee.
Mit Ausweitung des Troges in mediterranes Terrain wird zum Sonntag hin über dem
Tyrrhenischen Meer eine Zyklogenese angestoßen, dessen resultierendes Tief für
den weiteren Verlauf von essentieller Bedeutung ist. IFS (ECMF) simuliert dieses
Tief oder etwaige Randtiefs in der nächsten Woche stetig irgendwo zwischen
Italien und den Balearen, wo es durch den abtropfenden Höhentrog gestützt wird.
Gleichzeitig weitet sich das o.e. Hochdruckgebiet deutlich nach Nordosten bis in
den fennoskandischen Raum aus, was dem gesamten Strömungsmuster den Anstrich
einer Großwetterlage HNFz (Hoch Nordmeer-Fennoskandien zyklonal) gibt. Dabei
gelangt mit nordöstlichen Winden zunehmend kontinental geprägte Kaltluft nach
Mitteleuropa respektive Deutschland, in der die 850-hPa-Temperatur bis
Wochenmitte um oder sogar etwas unter -10°C liegt. Dabei nimmt die
Schneefallneigung gegenüber den diesbezüglich überaus üppig ausgestatteten
Vortagen ab, ohne wahrscheinlich aber ganz auf den Nullpunkt abzusinken.
In der erweiterten Mittelfrist bleibt die kalte und dauerfrostige
Ost-Nordostlage erhalten, auch wenn es niedertroposphärisch etwas milder wird.

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Betrachtet man die Entwicklung der jüngsten Modellläufe von IFS aus der globalen
Perspektive - und genau darum geht es bei der mittelfristigen Betrachtung -, so
kann den "Europäern" eine hinlänglich gute Konsistenz bescheinigen. Verlauf und
Position der großräumigen Basisfelder wie Potenzial und Luftdruck, aber auch das
gesamte thermische Regime werden von Lauf zu Lauf bestätigt, so dass am
grundsätzlichen Vorhersagekonzept der vergangenen Tage lediglich filigran
herumgefuhrwerkt werden muss.

Dass sich beim zweiten Hinsehen auf Details, mesoskalige Phänomene, kurze Wellen
oder anderen Einzelheiten freilich doch Unterschiede offenbaren, wird uns heute
- allerdings mehr beim Vergleich diverser Prognosemodelle, teils aber auch bei
der Konsistenzbetrachtung - bereits für den Kurzfristzeitraum eindrucksvoll vor
Augen geführt. So liegt die räumliche Schwankungsbreite der in der Nacht von
Donnerstag auf Freitag über Deutschland hinwegziehenden Welle bei mehreren
hundert Kilometern, was für eine Kurzfristprognose sehr viel ist. Ohne an dieser
Stelle die daraus resultierenden Auswirkungen respektive unterschiedlichen
Wetterszenarien zu diskutieren (siehe dazu auch "Synoptische Übersicht
Kurzfrist"), zeigt es uns doch einmal mehr, dass eine mittelfristige Diskussion
um kurzwellige Systeme zwar ganz nett sein kann, von der Belastbarkeit der
Vorhersage letztlich aber doch ohne Substanz ist.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Vor dem Hintergrund dieser Aussage lässt sich beim Vergleich der bekannten
Globalmodelle konstatieren, dass die Ausgangslage am kommenden Wochenende (Typus
TrM Trog Mitteleuropa) mittlerweile unisono angeboten wird, was vor zwei Tagen
noch nicht der Fall war. Auch der nachfolgende Aufbau der langgestreckten
Hochdruckzone sowie die Präsenz eines Mittelmeertiefs tauchen in allen
einschlägigen Modelllösungen auf. Im Gegensatz zu IFS wie die Längsachse dieser
Hochdruckzone aber weiter südlich simuliert, was den Nordostfetch und die daraus
resultierende KLA abmildert. Insgesamt würde dabei ein etwas antizyklonaleres,
nichtsdestotrotz aber kaltes Szenario herausspringen.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Clusterung von ECMF-EPS bestätigt eindrucksvoll das oben beschriebene
Szenario des Hauptlaufs. Im Klartext, für den Zeitraum von Montag bis Mittwoch
(T+120...168h) wird nur ein einziges Cluster angeboten - Punkt, aus. Im
erweiterten Mittelfristzeitraum steigt die Zahl der Cluster auf drei (22+KL,
18+HL, 11 Fälle). CL 1 und CL 3 setzen dabei auf den Fortbestand der kalten
östlichen Strömung, während CL 2 das Hoch so weit nach Süden verschiebt, dass
Teile Norddeutschlands auf die Nordflanke in eine mildere Südwestströmung
gelangen.
Wie zu erwarten, laufen die Rauchfahne verschiedener deutscher Städte erst zum
Ende hin auseinander. Je dichter das Hoch, desto weniger Ostanströmung und desto
höher die niedertroposphärische Erwärmung (Absinken). Die Niederschlagssignale
gehen ab Dienstag signifikant zurück.
Bei GFS-EPS fällt auf, dass die meisten Lösungen bei T850 zumindest von Montag
bis Mittwoch unter denen des Haupt- und Kontrolllaufs liegen, was eher der
ECMF-Schiene entspricht. An der abnehmenden Schneefallwahrscheinlichkeit ab
Montag/Dienstag gibt es auch bei GFS-EPS keinen Zweifel.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Eines ist gewiss: Die Hauptmusik auf der meteorologischen Bühne spielt sich in
den nächsten beiden Tagen ab und ist somit nicht Thema dieses Bulletins. Aber
auch am Wochenende hat die Atmosphäre noch was zu bieten, so dass keine
Langweile aufkommt.
Tatsache ist, dass es windtechnisch im Laufe des Wochenendes deutlich bergab
geht. Nur am Samstag sind anfangs an der See (Nordsee wahrscheinlicher als
Ostsee) und in einigen Hochlagen noch STURMBÖEN 8 Bft, exponiert 9 Bft aus
Westen bis Nordwesten möglich. Noch im Tagesverlauf wird sich der Wind aber
abschwächen.
Punkt 2 betrifft die Niederschläge, die am Wochenende meist bis in tiefe Lagen
als SCHNEE fallen. Im Bergland fallen die SCHNEEFÄLLE häufig markant aus mit 10
bis 30 cm, in exponierten Staulagen vielleicht um 50 cm innert 48 Stunden. Nach
heutigem Stand bekommen der Schwarzwald und das Allgäu am meisten Neuschnee ab.
Am Samstag ist dabei anfangs noch mit SCHNEEVERWEHUNGEN zu rechnen.
Im weiteren Verlauf nimmt die Schneefallwahrscheinlichkeit ab, dafür steigt mit
Ausnahme Teilen Nordwestdeutschlands die Wahrscheinlichkeit einer über mehrere
Tage andauernden DAUERFROSTPERIODE. Außerdem rücken dann - die erforderlichen
Rahmenbedingungen wie längeres Aufklaren und vorhandene Schneedecke
vorausgesetzt - STRENGER (unter -10°C), stellenweise auch SEHR STRENGER (unter
-15°C) FROST verstärkt in den Blickpunkt. Selbst strenger KAHLFROST ist in der
zunehmend kontinentalen Luftmasse lokal möglich, wobei man freilich erst mal
abwarten muss, wo es ab Montag überhaupt noch "kahl" ist.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit ECMF-EPS.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann