DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

20-11-2016 21:00
SXEU31 DWAV 201800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 20.11.2016 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Mit Abzug des Sturmtiefs NANETTE allgemein nachlassende südliche Winde, in den
Alpen aber weiterhin Föhnsturm. Zu Beginn der neuen Woche vielerorts mild bis
sehr mild, an den Alpen weiterhin föhnig.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland nach wie vor auf der Vorderseite eines vom
Nordmeer bis zum Seegebiet westlich der Iberischen Halbinsel reichenden LW-Trog,
der durch in seine Rückseite hineinlaufende kurzwellige Anteile nicht nur am
Leben gehalten, sondern auch noch etwas weiter nach Süden ausgeweitet wird. Die
südwestliche Höhenströmung über dem Vorhersageraum dreht entsprechend noch etwas
zurück, wobei die gesamttroposphärische WLA andauert. Bis zum montäglichen
Frühstück steigt die 850-hPa-Temperatur mit Ausnahme des äußersten NWs auf
5-10°C, in Regionen mit vorheriger orografischer Überströmung z.T. sogar noch
etwas darüber. Folglich verwundert es nicht wirklich, dass das Thema
Frost/Glätte keine großen Schlagzeilen einnimmt und sich auf wenige Orte im S
und SO des Landes beschränkt. Dort sind insbesondere in den Flussniederungen
auch örtliche Nebelfelder möglich.
Ansonsten steht das Wettergeschehen unmittelbar in Verbindung mit zwei hübschen
Sturmtiefs, von denen das eine (NANETTE) seinen Zenit bereits überschritten hat,
während Nachfolgerin PETRINE noch Entwicklungspotenzial aufweist und am Montag
in Teilen Westeuropas für einen atmosphärisch bewegten Wochenanfang sorgen wird.

Für unsere Gefilde zeichnet zunächst aber Sturmtief NANETTE verantwortlich, die
vergangene Nacht und heute früh für mehrere Stunden einen Kerndruck von unter
970 hPa aufzubieten hatte, sich mittlerweile aber um über 10 hPa aufgefüllt hat.
Um 17 UTC lag das Tief mit einem Kerndruck von immer noch rund 980 hPa
(gemessen) etwa im Bereich des Seegebietes Fischer nördlich der Deutschen Bucht,
Kurs NO, Tendenz weiter auffüllend. Die zugehörige Okklusion überquert
Norddeutschland rasch ostwärts, wird zur Mitte hin aber stark rückläufig, weil
sie zunehmend in das neue, sich knapp west-nordwestlich der Biscaya befindliche
Tief PETRINE einbezogen wird. Dabei mutiert die ursprüngliche Okklusion mehr und
mehr zu einer Warmfront, die Deutschland dann im Laufe des Montags überquert.
Zuvor fällt in der Nacht im W und NW zeitweise Regen, wobei die 12h-Mengen meist
im einstelligen Bereich liegen und nur lokal mal die 10mm-Schwelle knapp reißen.

Im Blickpunkt des Geschehens bleibt ohnehin der südliche Wind, auch wenn er sich
in den meisten Regionen auf dem absteigenden Ast befindet. Während er im west-
und norddeutschen Binnenland schon in der ersten Nachthälfte deutlich nachlässt,
bleibt er an der Küste nebst unmittelbar angrenzendem Binnenland sowie im
Bergland zunächst noch forsch unterwegs mit Böen 7-8 Bft, exponiert 9 Bft, an
der Nordseeküste SHs vereinzelt 10 Bft und auf dem Brocken bis zu 11 Bft. Nach
Mitternacht wird dann aber auch an der Küste und im Bergland auf die Bremse
getreten, wobei in den Hochlagen der Mittelgebirge ein gewisses Level 7-8 Bft,
Brocken darüber, aufrechterhalten bleibt. Eine Ausnahme bildet der Südföhn in
den Alpen, der in der Nacht sogar noch etwas zulegt, was in exponierten
Gipfellagen einzelne Orkanböen 11-12 Bft zur Folge hat. In den Föhntälern
dürften die Spitzen -so überhaupt ein Durchbruch erfolgt- Stärke 7 Bft kaum
überschreiten.

Montag ... verbleibt Deutschland auf der Vorderseite des o.e. LW-Troges, wobei
die Höhenströmung noch etwas zurückdreht auf S-SW. Während das (ehemalige)
Sturmtief NANETTE über Skandinavien zur Bedeutungslosigkeit verkommt, bringt
sich sein Nachfolgermodell nördlich der Biscaya in Positur. Zur Mittagszeit soll
es mit einem Kerndruck von knapp unter 980 hPa über der Keltischen See zwischen
der Bretagne und Landsend liegen. Zu diesem Zeitpunkt hat die zugehörige
Warmfront Deutschland nordwärts überquert, so dass wir in einen weit offenen
Warmsektor gelangen, in dem die Zufuhr subtropischer und durch Überströmung vor
allem der Alpen abgetrockneter Luftmassen aus dem mediterranen respektive
nordafrikanischen Raum andauert. Bis zum Abend steigt die 850-hPa-Temperatur in
der SO-Hälfte auf für Ende November bemerkenswerte 10 bis 13°C, sonst auf 5 bis
10°C. Die über Frankreich positionierte Kaltfront kommt mangels ausreichend
Schubkomponente nur sehr zögerlich nach Osten voran, so dass die frontalen
Hebungsprozesse lediglich den äußersten W und NW mit zeitweiligen Regenfällen
traktieren.
Ansonsten stellt sich deutschlandweit trockenes Wetter ein, bei dem sich in der
Wolkendecke mal mehr, mal weniger große Lücken auftun. Besonders nach Osten und
Südosten hin sorgen Lee- bzw. Föhneffekte für z.T. länger andauernden
Sonnenschein, aber auch sonst stehen die Chancen auf sonnige bzw. heitere
Abschnitte nicht so schlecht. Die Temperatur steigt mit Ausnahme höher gelegener
Orte auf 10 bis 15°C, bei längerem Sonnenschein sowie mit Leeeffekten bis zu
17°C, an den Alpen mit Hilfe des Föhns sogar noch darüber.
Auf dem Warnzettel steht nach wie vor der Parameter WIND, wenn auch nicht mehr
in den Dimensionen wie heute. Eine Konstante bleibt der Föhnsturm in den Alpen
mit Spitzen bis Orkanstärke (11-12 Bft) auf exponierten Gipfeln und evtl.
Sturmstärke (8-9 Bft) in föhnanfälligen Tälern. Ansonsten ist vor allem der
Mittelgebirgsraum betroffen vom Südfetch mit Böen 7 Bft, in exponierten Kamm-
und Gipfellagen 8 Bft, vereinzelt (Brocken) 9 Bft. Besonders nach Westen hin,
aber auch im Erzgebirgsvorland können 7er-Böen auch etwas weiter nach unten
durchgreifen.

In der Nacht zum Dienstag tritt das Sturmtief auf britisches Territorium,
genauer auf England über, was seiner Performance naturgemäß nicht gut bekommt.
Oder anders ausgedrückt, das Tief beginnt sich deutlich aufzufüllen. Die
zugehörige schleifende Kaltfront kommt dichter an die westlichen Landesteile
heran, wodurch es dort weiterhin regnet.
Darüber hinaus fächert der Gradient etwas auf, was mit einer Windabnahme
einhergeht. Gleichwohl reicht es in einigen Hochlagen noch für Böen 7 Bft,
exponiert vereinzelt 8 Bft. Ach ja, und dann ist da in den Alpen noch der Föhn,
der sich vergleichsweise unbeeindruckt zeigt und weiterhin vor sich hin bläst
mit den schon zuvor genannten Spitzenböen.
Frost ist kaum noch ein Thema und auch Nebel wird sich nur stellenweise im S und
SO bilden.


Dienstag ... füllt sich das Tief über England weiter auf etwas unter 1000 hPa
auf. Dadurch verliert auch der Gradient bei uns mehr und mehr an Schärfe, so
dass sich der südliche Wind abschwächt. Gleichwohl bleibt der Föhn in den Alpen
erhalten, und auch einige exponierte Mittelgebirgshochlagen zeigen sich noch
leicht windanfällig mit Spitzen 7 Bft, vereinzelt 8 Bft.
Die schleifende Kaltfront kommt von Westen her etwas landeinwärts voran, zeigt
sich dabei aber ziemlich handzahm, da es ihr komplett an dynamischer
Unterstützung fehlt. So beschränkt sich ihre Wetterwirksamkeit auf
mehrschichtige Bewölkung und etwas Regen im äußersten W und SW. Sonst bleibt es
trocken bei unterschiedlicher Bewölkung mit den höchsten Sonnenanteilen im S und
SO sowie in der östlichen Mitte. Mit 11 bis 16°C, mit Leeunterstützung an
einigen Nordhängen der Mittelgebirge und der Alpen lokal noch darüber (MOS-Mix
bietet für den Alpenrand lokal 20°C an, was bei 12/13°C in 850 hPa nicht
zwingend in das Reich der Fabel verbannt werden muss), hat es schon kältere
Novembertage gegeben.

Mittwoch ... tropft der LW-Trog in seinem Südteil ab, was bei uns von Osten her
Potenzialgewinn und die Aufwölbung eines Höhenrückens zur Folge hat. Über
SW-Europa hingegen fällt der Luftdruck großräumig weiter, was bereits zuvor zur
Bildung eines eigenständigen Bodentiefs geführt hat, das sich nun noch vertieft.
Die o.e. schleifende Kaltfront wird in die Zirkulation dieses Tiefs einbezogen,
wodurch sie in unserem Raum komplett zur Warmfront wird, die nordwestwärts
Richtung Nordsee schwenkt. In ihrem Bereich fällt etwas Regen oder Nieselregen,
insgesamt sorgt der besagte Rücken aber für Hebungsdämpfung.
Da der Gradient noch weiter auffächert, können sich tagsüber einige zähe Nebel-
oder Hochnebelfelder halten, die sich in der Nacht zuvor gebildet haben.
Insgesamt dürfte der Mittwoch aber noch ziemlich mild ausfallen, bevor dann zum
Donnerstag die Temperatur - teils hausgemacht, teils advektiv (östliche Winde) -
nach unten geht.
Windmäßig bleiben nur noch die Alpen interessant, wo der Föhn aber auch beginnt,
sich abzuschwächen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die beschriebene Entwicklung wird in der vielschichtigen Modellwelt recht
homogen simuliert. Beim Postprocessing fällt auf, dass MOS-Mix mit recht hohen
Windgeschwindigkeiten aufwartet, die synoptisch nicht immer nachvollziehbar
sind. Vor allem das Maximum an der Küste in der zweiten Nachthälfte zum Montag
erscheint unrealistisch.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann