DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

17-11-2016 21:00
SXEU31 DWAV 171800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 17.11.2016 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Teils stürmisches Herbstwetter; an den Küsten und im Bergland stürmische Böen
oder Sturmböen, auf exponierten Gipfeln Orkanböen möglich. In Staulagen und im
Südwesten örtlich Dauerregen.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland am Südostrand eines umfangreichen
Höhentrogkomplexes mit Drehzentrum nördlich von Schottland, der sich im Laufe
der Nacht noch ein wenig nach Süden ausweitet, unterhalb einer kräftigen, wieder
mehr auf Südwest drehenden Höhenströmung. Das Jetmaximum verläuft dabei quer
über die Mitte und des Nordosten des Landes mit Windgeschwindigkeiten von mehr
als 140 kn in 300 hPa.
Eingebettet in die Höhenströmung verlagert sich ein Kurzwellentrog über die
mittlere Nordsee hinweg bis Freitagfrüh nach Südnorwegen. Vorderseitig wird im
diffluent konturierten Höhenfeld und am linken Jetausgang kräftige PVA und
entsprechend markante Hebung simuliert.
Im Bodenfeld hat eine erste Kaltfront die Alpen inzwischen erreicht und kommt
weiter nach Süden voran. Die zum Zentraltief über dem Nordmeer gehörende, zu
Wellenbildung neigende Kaltfront über Norddeutschland kommt zunächst mangels
Schubkomponente kaum nach Süden voran. An ihr hat sich über Nordengland ein
Wellentief entwickelt, das mit dem oben erwähnten Kurzwellentrog korrespondiert
und unter leichter Vertiefung über die mittlere Nordsee bis Freitagfrüh nach
Südwestnorwegen zieht, so dass dann auch die Kaltfront bis in die mittleren
Landesteile Deutschlands vorankommen kann. Mit der sich verstärkenden Hebung
kommt es auch im Bereich des Frontensystems über Nordwestdeutschland verstärkt
zu schauerartigen Regenfällen, die sich allmählich südostwärts ausweiten.
Aufgrund der markanten Scherung (um 50 m/s in 0 bis 6 km bzw. bis 20 m/s in 0
bis 1 km) sind insbesondere mit Kaltfrontpassage bevorzugt im Westen und in der
Mitte des Landes organisierte konvektive Strukturen mit kurzzeitig kräftigen
Regenfällen, Graupel und auch kurzen Gewittern (ML-Cape zumindest nach GFS bis
100 J/kg) möglich, wobei es dann lokal eng begrenzt Sturmböen geben kann und
selbst schwere Sturmböen nicht ausgeschlossen sind. ICON-Nest von 06 UTC und
ECMWF von 00 UTC simulieren im Westen lokal eng begrenzt auch Mengen über 20 mm
in sechs Stunden.
Somit bleibt auch die für Teile des Sieger- und Sauerlandes sowie für das
Bergische Land geltende Dauerregenwarnung noch bis Freitagmittag gültig.
Lediglich südlich der Donau, im Erzgebirgsvorland und in der Lausitz bleibt es
wohl noch bis in die Frühstunden trocken.
Der Wind nimmt mit Annäherung des Tiefs landesweit weiter zu, die höchsten
Windgeschwindigkeiten werden mit Kaltfrontpassage erwartet. Im Norden und Westen
sowie in den mittleren Landesteilen muss verbreitet mit steifen, in freien Lagen
auch mit stürmischen Böen aus West bis Südwest gerechnet werden. Unmittelbar vor
und mit Kaltfrontpassage kann es häufiger stürmische Böen, vereinzelt Sturmböen
geben, ebenso an den Küsten, insbesondere der Nordsee. Auf den Bergen gibt es
Sturm- und schwere Sturmböen, auf besonders exponierten Gipfeln sind auch
Orkanböen möglich.
Rückseitig der Kaltfront fächert der Gradient auf und vor allem im Binnenland
Nord- und Westdeutschlands nimmt der Wind rasch ab.
Wenig vom Wind zu spüren ist noch im Südosten Bayerns. Dort kann sich bei
aufgelockerter Bewölkung örtlich Nebel bilden. In windschwachen Alpentälern ist
auch leichter Frost möglich.


Freitag ... verlagert sich der Schwerpunkt des sich über Westeuropa noch etwas
nach Süden ausweitenden Höhentroges etwas weiter nach Osten, wobei sich ein
weiteres Hauptdrehzentrum aus dem Randtrog über dem Süden bzw. der Mitte
Norwegens entwickelt, das in weiterer Folge die zentral steuernde Funktion
übernimmt. Dabei bleibt der Vorhersagebereich direkt unterhalb des Jets, wobei
kurzwellige Randtröge mit der südwestlichen Höhenströmung vor allem über den
Westen und Norden des Landes geführt werden.
Im Bodenfeld übernimmt das ehemalige Wellentief über Südnorwegen die zentrale
Steuerungsfunktion und kommt nur geringfügig nach Nordosten voran. Die Kaltfront
erreicht am Abend in etwa die Donau. Unterhalb des Jets kommt es weiterhin zu
recht markanter frontaler Hebung und entsprechend auch zu schauerartigen
Regenfällen im Frontbereich. Insgesamt kommt die Front wieder etwas langsamer
nach Süden voran, so dass es vor allem im Südwesten länger anhaltend regnet.
Dabei können gebietsweise die Warnschwellen für Dauerregen überschritten werden.
ICON-Nest und GFS simulieren in den Staulagen des Schwarzwaldes mehr als 25 mm
in 12 Stunden, COSMO-Leps gibt dort und in Oberschwaben ebenfalls Signale dafür.

Mit Ausweitung und Annäherung des Haupttroges gelangt der Nordwesten des Landes
zunehmend in den Einflussbereich höhenkalter labiler Luftmassen. Die Temperatur
in 500 hPa sinkt dort auf -30 bis -34 Grad, während niedertropospährisch
erwärmte maritime Polarluft mit Temperaturen zwischen 0 und -3 Grad in 850 hPa
dorthin advehiert wird. Somit entwickeln sich dort vor allem nachmittags und
abends einzelne, teils gewittrige Regen- und Graupelschauer, die teils an
durchziehende kurzwellige Randtröge gekoppelt sind und entsprechend in Staffeln
organisiert auftreten.
Das Hauptaugenmerk der Warntätigkeit bleibt aber nach wie vor auf die
Windentwicklung gerichtet. Insgesamt fächert der Gradient an der Südflanke des
Bodentiefs zwar etwas auf, allerdings sorgt die zunehmende Labilität für eine
bessere turbulente Durchmischung. Zunächst sind die stärksten Böen mit Bft 7 bis
8, in freien Lagen bzw. in kräftigeren Schauern vielleicht auch mal Bft 9, mit
Kaltfrontpassage in der Mitte und später im Süden zu erwarten. Präfrontal
verstärkt sich an den Alpen vorübergehend der Föhn und es kann - neben schweren
Sturmböen aus Süd bis Südwest auf den Alpengipfeln - auch in einigen Tälern
steife bis stürmische Böen geben.
Später, etwa ab dem späten Vormittag, frischt der Wind aber auch postfrontal im
Westen und Norden wieder mit Böen Bft 7, in Schauern und an den Küsten Bft 8
auf. Auf den Berggipfeln gibt es weiterhin Sturmböen, exponiert auch schwere
Sturm- oder gar orkanartige Böen. Insgesamt simuliert ECMWF deutlich stärkere
Böen als die deutschen Modelle bzw. das GFS und erscheint etwas übertrieben.
Die Sonne zeigt sich am ehesten präfrontal noch an den Alpen und später wieder
im Nordwesten häufiger. Die Temperaturen steigen meist auf 7 bis 12 Grad,
präfrontal im Süden und am Erzgebirge stellenweise auch darüber, an den Alpen
mit Föhn bis auf 15 Grad.

In der Nacht zum Samstag kommt die Achse des Haupttroges noch etwas weiter nach
Osten voran und verläuft morgens über Schottland und England südwärts bis ins
westliche Mittelmeer. Entsprechend kann die Höhenströmung über dem
Vorhersagegebiet noch ein wenig aufsteilen, so dass die Kaltfront unter
Wellenbildung - zusätzlich aufgehalten durch eine beginnende Zyklogenese über
Nordwestitalien - nur sehr langsam nach Süden vorankommt und erst in den
Frühstunden die Alpen erreicht. Entsprechend gibt es vor allem südlich der Donau
teils länger anhaltende Niederschläge, die sich mit einsetzende, WLA-
induzierten Aufgleiten an der Nordflanke der Zyklogenese vor allem in Schwaben
und Oberbayern noch etwas intensivieren. Warnrelevante Mengen werden allerdings
keine simuliert. Allerdings wird niedertroposphärisch zunehmend maritime
Polarluft auch zum Alpenrand advehiert, die Temperatur in 850 hPa sinkt bis
Samstagfrüh auf knapp unter 0 Grad und die Schneefallgrenze entsprechend auf
etwa 1000 m oder knapp darunter.
Vor allem der Westen und Norden befinden sich auch die Nacht über hinweg im
Einflussbereich der höhenkalten und labil geschichteten Luftmasse, die aber
zunächst kaum weiter nach Südosten vorankommt. Dem Tagesgang entsprechend nimmt
die Schauertätigkeit allerdings etwas ab, die häufigsten Schauer und auch kurze
Gewitter gibt es noch im Nordseeumfeld. Im Binnenland fallen später nur noch
vereinzelt Schauer, wobei die Schneefallgrenze im Mittelgebirgsraum zwischen
etwa 400 und 700 m schwankt.
Da sich das Zentraltief vor der norwegischen Küste allmählich abschwächt,
fächert auch der Gradient über Deutschland etwas auf. Der Wind nimmt somit
weiter ab. Im Nordseeumfeld und auf den Bergen reicht es aber noch für
stürmische Böen aus Südwest, auf exponierten Gipfeln für Sturmböen.
Vor allem in den mittleren Landesteilen lockern die Wolken auch mal stärker auf.
In windgeschützten Lagen kann es dann leichten Frost geben. Mit Glätte ist wohl
allerhöchstens nur in höheren Berglagen zu rechnen.

Samstag ... kommt die Hauptachse des Troges unter abnehmender Wellenlänge und
Konturverlust bis nach Westdeutschland voran, in weiterer Folge wird der Trog
durch eine von Nordwesten und Westen rückseitig hineinlaufende kräftige
Kurzwelle wieder regeneriert.
Im Bodenfeld verlagert sich ebenfalls ein flacher Bodentrog über Norddeutschland
hinweg ostwärts, weist aber mangels Hebung keine große Wetterwirksamkeit auf.
Einzelne Schauer und auch kurze Gewitter entwickeln sich noch am ehesten im
Bereich der höhenkältesten Luftmasse über Nordwestdeutschland, die meisten wohl
im Nordseeumfeld.
Die Kaltfront verläuft in etwa über die Alpen und kommt aufgrund der Zyklogenese
über Norditalien zunächst nicht weiter nach Süden voran und verwellt. Nordseitig
der Kaltfront kommt es weiterhin zu Aufgleitprozessen und entsprechend zu teils
anhaltenden Niederschlägen über Süddeutschland, die sich noch etwas weiter
nordostwärts, bis zum Main und Erzgebirge, nach COSMO-EU auch auf die mittleren
Teile Deutschlands und auf die Lausitz ausweiten. Die simulierten Mengen (1 bis
10 mm in 12 Stunden, an den Alpen und im Vorland bis 15 mm) sind aber nicht
warnrelevant. Die Schneefallgrenze schwankt dabei je nach Intensität der
Niederschläge meist zwischen 600 und 1000 m. Insgesamt gibt es vor allem bzgl.
der Ausweitung der Niederschläge nach Norden aber noch größere
Modelldiskrepanzen.
Der Wind schwächt sich insgesamt weiter ab. Starke bis stürmische Böen gibt es
noch im Nordseeumfeld und auf einigen Bergen, auf exponierten Gipfeln auch
Sturmböen.
Vor allem im Norden und Westen scheint zeitweise auch mal die Sonne, sonst
bleibt es meist stark bewölkt bis bedeckt. Die Höchstwerte liegen meist zwischen
4 und 10 Grad.

In der Nacht zum Sonntag verlagert sich der nur noch flache Trog über
Deutschland unter weiterem Konturverlust rasch nordostwärts. Der oben erwähnte,
rückseitig in den Haupttrog hineinlaufende Kurzwellentrog südwestlich von Irland
zieht bis Sonntagfrüh zum Westausgang des Ärmelkanals. Vorderseitig kommt es
aufgrund kräftiger PVA und vor allem WLA zu markanter Hebung. Auch im Bodenfeld
wird dabei bereits am Samstag tagsüber eine kräftige Zyklogenese südwestlich von
Irland in Gang gesetzt. Das Tiefdruckgebiet zieht bis Sonntagfrüh unter weiterer
Vertiefung (unter 975 hPa nach ICON und COSMO-EU) ebenfalls zum Westausgang des
Ärmelkanals.
Mit dieser neuen Entwicklung schwächt sich das Tiefdruckgebiet über Norditalien
deutlich ab und die Kaltfront kommt rasch südostwärts voran. Die
Niederschlagstätigkeit im Süden des Landes kommt somit bereits am Abend und in
der ersten Nachthälfte mehr oder weniger zum Erliegen. Insgesamt dominiert über
dem Vorhersagegebiet zunehmend WLA und stabilisiert die Schichtung, so dass es
in der zweiten nachthälfte selbst über der Nordsee kaum mehr Schauer geben
dürfte. Insgesamt lockern die Wolken vorübergehend auf, aufgrund der WLA ziehen
aber rasch wieder dichtere hohe und mittelhohe Wolkenfelder auf. Somit wird sich
wohl nur gebietsweise Nebel bilden. Allerdings kann es in ungünstigen Lagen
häufiger Frost geben als in den Vornächten.
Mit Annäherung des Tiefs verschärft sich bereits weit im Vorfeld der
Druckgradient vor allem in den westlichen Landesteilen. Im Nordseeumfeld und in
freien Lagen bzw. in Lee-Lagen im Westen des Landes kann es ab der zweiten
Nachthälfte erneut steife Böen aus Süd bis Südost geben. In den Kamm- und
Gipfellagen einiger Mittelgebirge sind stürmische Böen oder Sturmböen aus Südost
möglich.

Sonntag ... verlagert sich der Kurzwellentrog bis zum Abend zum Ostausgang des
Ärmelkanals bzw. nach Benelux. Somit dreht die kräftige Höhenströmung über dem
Vorhersagegebiet auf Süd bis Südwest. Vorderseitig des Troges wird weiterhin
markante Hebung simuliert, die vor allem aus kräftiger WLA, aber auch aus PVA
resultiert.
Das Bodentief befindet sich zunehmend achsensenkrecht unterhalb des Troges und
erreicht somit den Höhepunkt seiner Entwicklung. Es zieht bis zum Abend zur
südwestlichen Nordsee. Das okkludierte Frontensystem greift mit schauerartigen
Niederschlägen im Tagesverlauf auf den Westen und Norden Deutschlands über,
wobei aber keine warnrelevanten Mengen erreicht werden.
Somit bleibt die Windentwicklung im Fokus der Warntätigkeit. In der Westhälfte
gibt es verbreitet steife bis stürmische Böen aus Süd bis Südost, selbiges gilt
für die Küstenregionen. Auf der offenen Nordsee und in den Kamm- und Gipfellagen
der Mittelgebirge gibt es Sturm- oder schwere Sturmböen, auf exponierten Gipfeln
auch mehr. An den Alpen setzt kräftiger Föhn ein mit schweren Sturm- bis
Orkanböen auf einigen Gipfeln und Sturmböen in föhnanfälligen Tälern. Insgesamt
wird auch niedertroposphärisch sehr milde Luft aus dem westlichen Mittelmeerraum
bzw. Nordafrika herangeführt. Die Temperatur in 850 hPa steigt auf Werte
zwischen 4 Grad im Westen und 11 Grad im Alpenvorland.
Vor allem im Südosten scheint dazu häufig die Sonne. Bodennah kann sich mit der
südöstlichen Grundströmung die milde Luft sicherlich nicht überall dursetzen.
Vor allem in den Leelagen einzelner Mittelgebirge sind aber durchaus Höchstwerte
um 15 Grad denkbar, in Föhntälern an den Alpen auch noch darüber (20 Grad aus
heutiger Sicht nicht ausgeschlossen. Ansonsten bewegen sich die Höchstwerte wohl
meist zwischen 7 Grad im Nordosten und 14 Grad im Südwesten.


Modellvergleich und -einschätzung
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Alle Modelle simulieren eine sehr ähnliche Wetterentwicklung im
Kurzfristbereich. Größere Diskrepanzen gibt es eigentlich nur bzgl. der genauen
Niederschlagsentwicklung entlang der Kaltfront am Freitag und Samstag, da die
Verwellungsprozesse von Modell(lauf) zu Modell(lauf) noch immer leicht
unterschiedlich simuliert werden. Diese wurden im Text bereits angesprochen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff