Thema des Tages

14-11-2016 14:40

Ohne Moos nix los...

Winterliche Hochdruckwetterlagen, wie sie auch derzeit über
Mitteleuropa mit Hoch SIEGFRIED vorherrscht, führen nicht nur oft zu
zähem und manchmal tagelangem Nebel, sondern auch zu erhöhten
Feinstaubkonzentrationen in der Luft (der interessierte Leser sei an
dieser Stelle auf den DWD-Lexikonbeitrag "Inversion" verwiesen).

Insbesondere in Städten, dessen topografische Lage einem Kessel
gleicht (wie z.B. Stuttgart), zählt das Ausrufen des Feinstaub-Alarms
im Winterhalbjahr beinahe zur Tagesordnung. Der Begriff "Feinstaub"
bezeichnet dabei nicht solch wollknäuelähnlichen Staub, der beim
jährlichen Frühjahrsputz hinterm Küchenschrank zum Vorschein kommt,
sondern vielmehr feste und flüssige winzige Partikel (Aerosole), die
nicht einmal ein Zehntel des Durchmessers eines Haares erreichen. Je
nachdem, wie winzig sie sind, unterscheidet man sie in grobe Partikel
(wobei das Wörtchen "grob" für Durchmesser von größer als 2,5 µm
steht), feine Partikel (Durchmesser kleiner als 2,5 µm) und
ultrafeine Partikel (kleiner als 0,1 µm). Meist werden unter
"Feinstaub" alle Teilchen mit einem Durchmesser bis 10 µm verstanden.


Es gibt natürliche Quellen von Feinstaub, z.B. Meeresgischt,
Waldbrände oder Vulkanausbrüche. Vor allem wird Feinstaub allerdings
durch menschliches Handeln erzeugt: Beispielsweise durch Emissionen
von Autos, Kraftwerken, Öfen und Heizungen. In Großstädten ist der
Straßenverkehr eine wichtige Feinstaubquelle (Anteil in Stuttgart
bspw. 45%). Der Feinstaub aus dem Verkehr entsteht überwiegend durch
Brems- und Reifenabrieb sowie durch die Aufwirbelung des Staubes von
der Straßenoberfläche und nachrangig durch den Auspuff aus
konventionell betriebenen Verbrennungsmotoren.

So winzig klein diese Partikel sind, so groß und weitreichend ist
doch ihre Wirkung: Über die Lunge dringen sie in den menschlichen
Organismus ein und können neben Atemwegsproblemen auch Schädigungen
des Herz-Kreislaufsystems verursachen. Wissenschaftler haben
nachgewiesen, dass die ultrafeinen Staubpartikel in die
Blutzirkulation, das Herz, die Leber und andere Organe transportiert
werden und sogar bis ins Gehirn vordringen können.

Im Wissen um diese schwerwiegenden Folgen des "feinen Staubs" sind
Politiker, Stadtplaner und Co. bereits seit Jahren auf der Suche
nach Lösungen zur Reduzierung der Feinstaubkonzentration. Die Ideen
reichten dabei von der Umweltplakette über Carsharing und den Ausbau
des öffentlichen Nahverkehrs (an Feinstaubalarm-Tagen kann man in
Stuttgart z.B. zum halben Preis Bus und Bahn fahren) bis hin zur
Pflanzung von Bäumen und Sträuchern.

"Dagegen muss doch ein Kraut gewachsen sein" dachten sich bestimmt
auch die vier Köpfe eines jungen Start-up-Unternehmens aus Dresden,
die mit ihrer Idee einer Mooswand kürzlich sogar einen europäischen
Gründerpreis gewannen. Nicht nur in einigen deutschen Städten, auch
in Oslo, Paris und Hong Kong steht bereits ein sogenannter "City
Tree", der eigentlich kein Baum ist, sondern eine Sitzbank mit einer
grünen Wand, die drei mal vier Meter groß und mit Moos bepflanzt ist.
Die feinen Verästelungen der Moose absorbieren Feinstaub wesentlich
effektiver als Blattpflanzen. Ein City Tree absorbiert jährlich rund
100 Kilogramm CO2 und leistet dabei so viel wie 275 Bäume - mit
messbarem Effekt: In einem Umkreis von bis zu 50 Metern kann die
lokale Luftverschmutzung um bis zu 30 % reduziert werden!

Auch wenn die Idee dieser Mooswand zweifelsohne innovativ und
wirkungsvoll ist - Moos nun als ultimatives Kraut gegen verschmutzte
Luft anzusehen ist vielleicht etwas voreilig. Da bedarf es neben der
grünen Pflanze wohl noch zusätzlicher Mittel, beispielsweise die
andere, monetäre Form des "Mooses"...

Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.11.2016