DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

26-09-2016 09:00
SXEU31 DWAV 260800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 26.09.2016 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: BM (Brücke Mitteleuropa), dann Übergang zu Wa (West antizyklonal)

Heute und morgen im Süden vereinzelte Gewitter, teils mit Starkregen (lokal eng
begrenzt) möglich. Ab Dienstagabend von der Nordsee her windiger. In den Nächten
gebietsweise Nebel.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Montag... Zu Beginn der neuen Woche liegt Deutschland im Übergangsbereich
zwischen einem Höhentrog über Westeuropa und einem Rücken mit abgeschlossenem
Höhenhoch zwischen Schweden und den baltischen Staaten. Dieses Strömungsmuster
entpuppt sich als äußerst konservativ, will heißen, beide Gebilde zeigen nur
wenig Vortrieb nach Osten. Zum Tagesende liegt die Trogachse etwa im
Grenzbereich zu Frankreich und Benelux (ICON, 500 hPa), wobei der Trog aufgrund
seiner indifferenten bis leicht konfluenten Vorderseite keine allzu großen
dynamischen Hebungsimpulse liefert.
So richtet sich der Fokus auf die bodennahen Luftschichten, wo die Kaltfront
eines mehrkernigen Tiefkomplexes um Island herum Deutschland bereits erreicht
hat, sich in den nächsten Stunden aber äußerst schwer tut, gegen den besagten
Höhenrücken ostwärts voranzukommen. Im Norden ist das etwas stärker der Fall als
im Süden, wo die Front zurückhängt. Vor der Front lassen sich nach klassisch
sommerlichem Muster eine (schwache) Tiefdruckrinne mit Konvergenz finden,
allerdings ist die Wirksamkeit weder der Kaltfront noch der Konvergenz mit
ähnlich gelagerten Fällen im Hochsommer zu vergleichen.
Womit wir bei der Luftmasse wären, die an den frontalen und präfrontalen
Hebungsprozessen beteiligt ist. Zwar handelt es sich dabei um eine für Ende
September äußerst passable Warmluft mit 850-hPa-Temperaturen von bis zu 12°C und
2m-Maxima bis zu 28°C (Sonntag im Westen), es hapert aber eindeutig an der
erforderlichen Labilität, um ein großes "Feuerwerk" abzubrennen. Kurzum, wie
aktuell schon zu beobachten kommt es an der Front und davor zu Schauern, die
sich im Tagesverlauf noch etwas nach Osten verschieben. Die
Gewitterwahrscheinlichkeit hält sich sehr in Grenzen. Am ehesten sind
vereinzelte elektrische Entladungen im Süden, schwerpunktmäßig im
Württembergischen sowie im Südwesten Bayerns, denkbar, wo immerhin ein ML-CAPE
von etwas über 300 J/kg zu finden ist. Zugegeben, das ist nicht viel, trotzdem
gilt: sollte sich ein Gewitter entwickeln, so ist aufgrund der geringen
Verlagerungsgeschwindigkeit bei gleichzeitig recht hohem niederschlagbaren
Wasser von rund 25 mm durchaus Starkregen um oder etwas über 15 mm/h möglich.
Auch ein nicht-gewittriger Starkregenschauer kann nicht ganz ausgeschlossen
werden.
Ansonsten gilt es festzuhalten, dass zwischen Erzgebirge und Vorpommern sowie im
östlichen und südöstlichen Bayern (dort nach Nebelauflösung) trotz einiger hoher
Wolkenfelder häufig die Sonne scheint und es bis zum Abend sehr wahrscheinlich
trocken bleibt. Auch rückseitig der Front, wo nur wenig kühlere Meeresluft
einsickert (T850 im äußersten W und NW bei 5°C) und der Druck wieder steigt,
lockert die Wolkendecke auf und die Sonne zeigt sich z.T. sogar für längere
Zeit. Die Tageshöchstwerte liegen zwischen 17 und 23°C, in der Lausitz und in
SO-Bayern lokal vielleicht bei 24°C.

In der Nacht zum Dienstag kommt der Trog noch etwas nach Osten voran, so dass er
sich über große Teile des Vorhersageraums legt. Aufgrund der schwachen
Höhenwinde sind aber kaum dynamische Prozesse ergo Hebung zu erwarten. Im
Bodenniveau steigt der Luftdruck noch etwas an, was sich in einer
Brückenformation zwischen dem Hoch über Nordosteuropa und dem Azorenhoch
widerspiegelt. Dass das Nachtwetter trotzdem nicht ausschließlich antizyklonal
geprägt ist, liegt an der mittlerweile diagonal von NO nach SW über Deutschland
liegenden Kaltfront, an der es trotz "ungünstiger" Tageszeit trotzdem noch zu
einzelnen Schauern kommt.
Nebel bildet sich einmal mehr im SO, vornehmlich in Ober- und Niederbayern,
teils aber auch im klaren oder nur gering bewölkten W und NW.

Dienstag... schwenkt der Trog unter weiterer Abschwächung ost-nordostwärts,
wobei er zunehmend an Kontur einbüßt. Gleichzeitig schiebt sich von Frankreich
her ein neuer Höhenkeil langsam ostwärts vor, der die o.e. Hochdruckbrücke
stützt. Allerdings entpuppt sich die weiterhin von NO nach SW exponierte
Kaltfront als äußerst robust, so dass sie nicht nur in der Vorhersagekarte T+36h
erscheint, sondern im Süden und in der Mitte auch noch für dichtere Wolkenfelder
und sogar den einen oder anderen Schauer sorgt. Bei ähnlichen ML-CAPE Werten wie
heute ist im Süden sogar ein einzelnes Gewitter möglich. Zwar nehmen die
PPW-Werte gegenüber heute etwas ab, gleichwohl ist aufgrund der quasi nicht
vorhandenen Verlagerung möglicher Gewitter lokal eng begrenzt Starkregen nicht
ausgeschlossen.
Große Teile Nieder- und Oberbayerns bleiben präfrontal positioniert, dort
scheint nach Nebelauflösung zeitweise die Sonne, was auch für die Regionen
zwischen Erzgebirge und Ostsee gilt. Trocken und vielfach sonnig bleibt es -
ebenfalls nach Nebelauflösung - auch im kompletten Westen und Nordwesten, wo im
Tagesverlauf allerdings schwache WLA von Westen her übergreift. Sie kündigt ein
neues Frontensystem an, das zu einem Tief zwischen Island und Schottland gehört
(12 UTC). Zwar bleibt dieses Frontensystem zunächst noch außen vor, für hohe,
später auch mittelhohe Wolkenfelder dürfte es aber reichen.
Die Temperatur erreicht Höchstwerte zwischen 17 und 23°C, lokal mit
Sonnenunterstützung vielleicht 24°C.

In der Nacht zum Mittwoch wird der o.e. Höhenkeil nach Süden gedrückt, wodurch
die über dem mittleren Nordatlantik recht gut ausgeprägte Frontalzone von der
Nordsee her etwas mehr Zugriff auf den Vorhersageraum bekommt. Das Bodentief
zieht in Richtung südliche Norwegische See, was vor allem in Norddeutschland
Druckfall generiert, der wiederum zum Aufbau eines Gradienten führt. Lange Rede,
kurzer Sinn, der SW-Wind frischt im Norden merklich auf, was schon ab den
Abendstunden vornehmlich an der Küste und auf den Inseln, aber auch im
unmittelbar angrenzenden Binnenland Windwarnungen zur Folge hat (Nordsee 8 bis 9
Bft, Ostsee 7 bis 8 Bft, Binnenland 7 Bft). Gleichzeitig wird die bis dato
quasistationäre Kaltfront nach Osten in Bewegung gesetzt, gefolgt von einer
neuen, teilokkludierten Kaltfront, die von der Nordsee und den Niederlanden auf
den NW übergreift. Dabei kommt es im äußersten N und NW zu zeitweiligem Regen,
während im Süden in deutlich ruhigerem Fahrwasser erneut Nebel auf dem Zettel
steht, besonders, aber nicht ausschließlich in den Donauniederungen

Mittwoch... verschiebt sich die Frontalzone noch etwas nach Süden, wobei die
Höhenwinde auf Westnordwest drehen. Zwischen dem mittlerweile über der
Norwegischen See angekommenen Tief und einem schmalen, bis zu den Alpen
gerichteten Azorenhochkeil stellt sich am Boden eine nach Norden hin recht
lebhafte, im Süden hingegen nur schwach bis mäßig ausgeprägte westliche Strömung
ein. Die Front überquert den Vorhersageraum auffallend wetterunwirksam (die
Modelle simulieren so gut wie keinen Regen, einzig im Küstenraum ein paar
schwache Schauer) unser Land ost-südostwärts, was insgesamt für wechselnde
Bewölkungsverhältnisse sorgt. Rückseitig der Front strömt ein Schwall erwärmter
Meereskaltluft subpolaren Ursprungs heran, in der die 850-hPa-Temperatur
lediglich im äußersten Norden auf Werte um 5°C zurückgeht. Mit 17 bis 24°C
bleibt die Temperatur im 2m-Niveau deutschlandweit relativ hoch.
Der westliche Wind frischt vor allem in der Nordhälfte auf mit Böen 7 Bft,
Bergland und Küste sowie küstennahes Binnenland 8 bis 9 Bft, auf dem Brocken
vielleicht seit langer Zeit mal wieder 10 Bft. Im Süden beschränken sich - wenn
überhaupt - Böen 7 bis 8 Bft auf einige Hochlagen, vor allem der nord- und
ostbayerischen Mittelgebirge.

Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Die großräumigen Basisfelder werden von den Modellen sehr ähnlich gerechnet, der
Übergang hin zu windigerem und wechselhafterem Wetter (besonders im Norden) ist
unstrittig. Die Gretchenfrage, die sich uns Prognostikern stellt, lautet: Gibt
es heute und morgen Gewitter im Süden oder nicht? Nach Abwägung diverser
prognostischer Argumente in Verbindung mit aktuellen Beobachtungen fällt die
Antwort ebenso klassisch wie lakonisch aus: nicht sehr wahrscheinlich, aber auch
nicht ausgeschlossen. Dabei erscheint es fast schwerer, das Gewitter entstehen
zu lassen, als den (sehr lokalen) Starkregen zu produzieren, der als primärer
Begleiter auftreten kann, wenn tatsächlich ein Gewitter entstanden ist.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann