Thema des Tages

24-10-2016 14:40

Whiteout - Wenn alles weiß wird

Ist es Ihnen beim Wandern im Winter über ein schneebedecktes Feld und
bei tiefhängenden Wolken schon einmal passiert, dass sich Ihre
gesamte Umgebung kurzzeitig in ein einziges Weiß-Grau hüllte und Sie
die Orientierung verloren? Bald tauchte dann eine Hütte oder ein Baum
am Horizont auf und Sie hatten wieder ein Ziel vor Augen.

Das Phänomen der Kontrastverringerung und das Verschwinden des
Horizonts aufgrund von hellem Licht durch Reflexion zwischen einer
schneebedeckten Oberfläche und bspw. einer Wolkendecke wird
"Whiteout" genannt. Durch diese Erscheinung wird u.a. das
Orientierungsvermögen stark beeinträchtigt, obwohl die Sicht unter
Umständen gut ist. Eine Fahnenstange, eine Hütte oder ein Baum können
sich nur wenige Meter von Ihnen entfernt befinden, alles herum
erscheint jedoch in einem gänzlich einheitlichem weiß-grauen Licht
und Sie können die Entfernung zu diesem Objekt nicht abschätzen.
Zugegeben, dieser Fall tritt im deutschen Flachland und im
Mittelgebirge sehr selten auf. Aber sollten Sie sich in polaren
Gebieten sowie auf verschneiten Bergen befinden, bietet es sich an,
von diesem Phänomen gehört zu haben.

Die Voraussetzungen für einen Whiteout-Effekt (zu Deutsch:
Weißblendung) sind vielfältig. Zum einen muss eine schnee- oder
eisbedeckte Oberfläche vorhanden sein (bspw. in polaren Gebieten),
zum anderen ein vollständig bedeckter Himmel, fester Niederschlag
oder aufgewirbelter Schnee. Demzufolge werden die Effekte unterteilt
in Bewölkungs-, Niederschlags- und Blowing-Snow-Whiteout (blowing
snow: engl. für Schneedrift).

Der durch den Schnee sehr helle Boden besitzt eine hohe Albedo. Sie
ist ein Maß dafür, wie viel der auftreffenden Strahlung von einer
Oberfläche reflektiert und nicht aufgenommen wird (siehe "Albedo"
unter www.dwd.de/lexikon). Im Fall von Schnee werden bis zu 95% der
einfallenden, sichtbaren Sonnenstrahlung zurückgeworfen. Diese
Strahlung wird wiederum von der Wolkendecke reflektiert, die
ebenfalls eine hohe Albedo besitzt. Bei einem Whiteout wiederholt
sich dieser Vorgang permanent. Das eigentliche Problem dabei ist,
dass die Strahlung in alle Richtungen gestreut wird (Fachwort:
diffuse Strahlung). Dies liegt u.a. an der Oberflächenbeschaffenheit
des Bodens, da dieser durch die Schnee- und Eiskristalle rau und
unregelmäßig ist. Ebenso ist die Wolkendecke nicht glatt. Die
resultierende Strahlung ist extrem hell; und das in jede Richtung in
der man sich umschaut. Es ist kein Ort zu erkennen von dem die
Lichtquelle ausgeht. Da es überall gleich weiß ist, ist auch kein
Übergang zwischen Boden und Horizont sichtbar. Erschwerend können,
wie oben beschrieben, Schneeverwehungen oder Niederschlag sowie Nebel
hinzukommen. Während man sich vor Schneeblindheit (hervorgerufen
durch UV-Strahlung) noch mit einer Sonnenbrille schützen kann, rettet
einen diese auch nicht vor einer fehlenden Orientierung und der
Problematik Entfernungen/Konturen nicht mehr abschätzen zu können. Es
droht mitunter sogar der Verlust des Gleichgewichtssinns. Unter
www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2016/10/24.html sehen Sie zwei
Beispiele, wie bei bedecktem Himmel der Horizont verschwindet und
sich die Kontraste verringern. Das untere Bild zeigt Whiteout auf dem
Ekström-Schelfeis in der Antarktis.

Besonders gefährlich ist dieses Phänomen in der Fliegerei. Wenn sich
der Boden nicht mehr vom Horizont abhebt, kann auch ein
Helikopterpilot, der nach Sicht fliegt, die Orientierung verlieren
und nicht einschätzen, wo oben und unten ist. Ebenso kann ein
Whiteout für Wintersportler problematisch werden, da mögliche Abhänge
oder Klippen schlicht nicht sichtbar sind.

Wenn Sie in die Situation eines Whiteouts kommen sollten, ist
äußerste Vorsicht geboten. Es wird empfohlen, sich nur in Gruppen
aufzuhalten und falls möglich an Zäunen oder Gegenständen in kurzer
Entfernung entlang zu hangeln.

Stud. Met. Tim Usedly, Dipl.-Met. Julia Fruntke
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.10.2016